Bei der F.A.Z. scheint man ein beständiges Interesse an Schwarzmalereien zu haben. Das zeigte sich vor Tagen an diesem Artikel über Literatur und Internet, dann an diesem Artikel über Blogger und in dieselbe Kerbe wie letzterer schlägt dann heute dieser Artikel von Harald Staun.
Was ist der Grundtenor dieser Artikel? Es gibt einen Bereich, den ein paar Leute für innovativ halten, man identifiziert dann diese Leute als Irrläufer und den Bereich als unter einer Käseglocke seiend.
So liest sich dann auch der Text von Staun. Dieser endet mit den Worten
Wer solche Utopien hat, der ist natürlich wirklich gegen jede Kritik immun.
Damit bezieht sich Staun auf Sascha Pallenberg, den Staun so verstanden haben will, als habe er gesagt, man könne ganz einfach dadurch mit Blogs Geld verdienen, dass man täglich 72 Stunden arbeitet.
Lieber Herr Staun: Das war ein Witz. EIN WITZ!
Es ist natürlich anzunehmen, dass Staun den Witz verstanden hat, auch wenn offenbar diese aktuelle Stellungnahme von Pallenberg völlig an ihm vorbeigegangen sein muss. An dieser Stelle sollte man nur die seltsame Methode festhalten, mit der da ein Journalist versucht denen, die er da als Blogger ausgemacht hat, den Hals umzudrehen:
Man nehme eine witzig gemeinte Bemerkung, reiße sie aus dem Zusammenhang und mache dann an ihr fest, dass derartige Personen (“Wer solche Utopien hat”, d.i. “die Blogger”) die nötige Ernsthaftigkeit für eine realistische Wahrnehmung fehle. Fertig ist die Laube. (Wobei Staun für die Richtung seines Artikels mit Sascha Pallenberg allerdings auch kein untauglicheres Beispiel hätte heranziehen können.)
Ein mutwillig missverstandener Witz ist der Schlusspunkt des Textes von Staun, man kann sich also ungefähr vorstellen, welche inhaltliche Tiefe der Text bislang erreicht hat. Denn es ist auch völlig unklar, was unter der Kritik gemeint ist, von der Staun im letzten Satz redet. Und wer ist der Kritiker?
Einen wichtigen Erkenntnisschritt sieht Staun zumindest hierin:
Mit der Hinfälligkeit der Dichotomie von online und offline erledigt sich aber auch der Antagonismus zwischen der technikverliebten Blogosphäre und jenen, die moderne Kommunikationstechniken einfach nur mit einer gewissen Selbstverständlichkeit benutzen, ohne gleich einen Lebensentwurf daraus abzuleiten. Wenn der Eindruck nicht täuscht, haben das auch die Blogger so langsam begriffen.
Wer sind jetzt wohl die Blogger? Wer ist die technikverliebte Blogosphäre, die ihre Kommunikationstechniken als Lebensentwurf sehen? Und wer hat wohl eher verstanden als die Blogger, die ja nur langsam begreifen?
Nein, für Staun und offensichtlich auch die F.A.Z. sind Blogger eben nur das, was für die katholische Kirche die Atheisten sind: Geistlose Wirrköpfe, die ein stabiles System kaputt machen.
Deswegen sympathisiert Staun dann auch mit Netzkritiker Lovink und kanzelt Peter Kruse ab, bevor er inhaltlich was zu diesem gesagt hat, und ebenso Felix Schwenzel und Sascha Pallenberg. Man teile die Menschen einfach in zwei Gruppen ein und charakterisiere die Gruppen dann an Einzelbetrachtungen von ein paar eingeordneten Personen. So einfach ist das:
Im Großen und Ganzen aber scheinen selbst all jene, die sich lange für digitale Autochthone gehalten haben, für die Indianer des Internets gewissermaßen, begriffen zu haben, dass sich der Zugang zum “Achten Kontinent” (Peter Glaser) nicht so einfach regeln lässt wie zur “re:publica”, mit der Vergabe von All-inclusive Bändchen also.
Eindeutig zu wenig Metaphern in diesem Satz, wenn Sie mich fragen. Aber gut, jemand, der den Witz von Pallenberg nicht schnallt, dem traue ich auch zu, dass er jemanden für voll nimmt, der ihm erzählt, er wolle sein ganzes Leben mit einem einzigen All-inclusive-Bändchen bestreiten. Offensichtlich hat Staun ja solche Leute auf der re:publica getroffen. Wenn er denn da war.
Die F.A.Z. sollte mal dringend zusehen, dass sie die Geister mal wieder los wird, die sie da so gerufen hat, denn eine Zielgruppe für solch schwarzmalende Journalismus-Durchhalteparolen-Artikel ist mir — abgesehen von Journalisten selber — ziemlich unbekannt.
Aktualisierung:
Thomas Knüwer hat Sascha Pallenberg auf die Bemerkung mit den 72 Stunden angesprochen, worauf dieser erwidert:
Ich habe in meinem Vortrag zur Blog-Monetarisierung provozierend gesagt: “Mein Tag hat 48h und ich brauche 72″. Das war auch ein Slide. Dann bin ich ausfuehrlich darauf eingegangen, dass ich zwischen 12 und 16h am Tag arbeite und wollte damit Bloggern die Illusion nehmen, dass man im Internet in 5 Minuten reich werden kann.
Wie sagte Pispers mal so treffend:
Das Einzige, was an diesem Journalismus noch kritisch ist, ist sein Geisteszustand.