Die FAZ hat inzwischen Edo Reents’ Schmähartikel auf Peter Kruse frei zugänglich gemacht. Und so kann nun jeder kostenlos nachvollziehen, wie Reents aus der nicht unberechtigten Analyse, dass Kruse populärwissenschaftlich daherkommt, die Grundstimmung zu erzeugen versucht, Kruse sei ein intellektueller Hochstapler.
Dabei outet Reents sich allerdings deutlich selbst als vorurteilsbehafteter Laie:
Es ist Kruse, der die beiden Lager aufeinander loslässt, und zwar auf zweifelhafter Grundlage: Nur 191 Personen wurden dazu befragt. Fachkreise begegnen den daraus abgeleiteten Thesen skeptisch. Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur des IT-Magazins „c’t“, hält das für „eine statistisch wenig aussagekräftige Grundlage und wissenschaftlich nicht haltbar“.
Herr Reents, die c’t ist doch kein Fachkreis für wissenschaftliche Studien.
Auch andere Analysen Reents sind kaum verständlich:
Doch die Güte und die Geduld des Weltweisen [Kruse] können schnell umschlagen in belehrenden Zorn über den Unverstand derer, die auch mitreden wollen. Das war am Rande der Re:publica während eines Interviews zu erleben, das Alexander Kluges Sender dctp mit ihm führte. Schon die Einstiegsfrage nach den Netzwerken, die er benutze, war ihm nicht gut genug: „Jetzt müssen wir gleich schon anfangen, theoretisch zu werden“, sagte er kopfschüttelnd: „Welche Netzwerke meinen Sie?“ Damit hatte er den Moderator so weit, die herablassende Lektion schließlich mit Demut zu quittieren: „Immer wieder inspirierend, mit Ihnen zu reden!“
Das verstehe ich nun überhaupt nicht: Wie kann denn die Einzelfrage, welches Netzwerk von mehreren, in einer bestimmten Frage in Frage kommen, einem Fragesteller gegenüber demütigend sein?
Reents sieht sich unbeirrt selbst als Aufklärer, als Entlarver des Flötenspieler von Hameln, was er dann aber doch lieber andere sagen lässt:
Einige durchschauen ihn aber auch. „Da steht er nun und generiert Mehrheiten der schlichten Art“, sagte Dietmar Moews von der Piratenpartei. Blogger und Internetkommentatoren äußern sich unverblümt: „Kruse ist der Hyper-Schwobler des Internets, vergleichbar nur mit Franz Beckenbauer im Fußball oder mit Peter Sloterdijk im Literaturbetrieb. Mit seiner Brachialrhetorik, seiner enorm schnellen Sprechgeschwindigkeit, welche dem Zuhörer keine Chance zu einem klaren Gedanken lässt, vermittelt er die Illusion, er hätte unglaublich Bedeutendes und Wegweisendes mitzuteilen.“
Wer Aufklärung aber derart polemisch in Angriff nimmt, der droht zu scheitern. Und eben dies passiert dem Germanisten Reents nach all diesem unqualifizierten Rumspsychologisieren über die Person Kruses am Ende des Textes noch einmal:
In der Regel werden von Nextpractice weniger als zweihundert Personen befragt; dafür wird das mit dem Attribut „qualitatives Interview“ versehen — als hätten alle anderen Interviews keine Qualität. Auf den Anspruch auf wissenschaftliche Seriosität, darauf, etwas Relevantes über unsere Gesellschaft auszusagen und sie über Beratung auch zu beeinflussen, reagiert man in Fachkreisen mit Gelächter. Ursula Dehm, die beim ZDF seit vielen Jahren Medienforschung betreibt, kriegt sich gar nicht wieder ein: „Da dreht sich einem das Empiriker-Herz um. Das ist quirliger Nonsens.“
Was in Fachkreisen ein qualitatives Interview genannt wird, und wieviele Versuchspersonen für eine wissenschaftliche akzeptierte Analyse benötigt werden, das ist Reents völlig unbekannt. Auch dass Reents bei Fachkreisen für wissenschaftliche Studien nur die c’t und das ZDF einfallen, erzeugt eine gewisse Irritation. Aber er ist anfällig für Leute, die lachen, soviel versteht der Leser.
Nun mag Kruse populärwissenschaftlich und für einige platt daherkommen, das ändert nichts daran, dass eine wissenschaftliche Analyse nicht dadurch falsch wird, dass ein Laie wie Reents sie nicht versteht. Wäre Reents der Aufklärer des Phänomens Kruse, er hätte wissenschaftlich auf der Höhe sein müssen, dies sachlich verständlich begründen zu können. So aber ist er genau der unwissenschaftliche, vorurteilsverhaftete Windmühlenanalyst, den er in Kruse zu erkennen glaubt.
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Bei Gunnarsohn sind Reaktionen auf den Text versammelt.