Ein Trümmerhaufen namens CDU

Wenn es das Ziel der CDU derzeit wäre, all das, was sie sich selb­st als Kernkom­pe­ten­zen zuschreibt, nach­haltig zu beschädi­gen, sie kön­nte derzeit wohl nicht erfol­gre­ich­er sein:
Die Wirtschaft­skom­pe­tenz, als deren größtes Beispiel Bay­ern immer herange­zo­gen wurde, ist eben dort als Dil­letan­tismus geoutet wor­den, für den der bayrische Steuerzahler noch Jahre schmer­zlich büßen wird.
Bei der Beset­zung der Min­is­ter­posten zeigte Merkel zunächst bei Schäu­ble auf erschreck­end erbärm­liche Weise, dass das Ver­fahren zur Beset­zung dieses Postens, rein­er eigen­er Parteilob­by­is­mus gewe­sen ist…
10jahrespendenaffaere
… nur um es bei der Beset­zung des Fam­i­lien­min­is­teri­ums erneut zu wieder­holen.
Kurz nach der Bun­destagswahl gab Wolf­gang Schäu­ble zu, dass die Härte, die man im Zuge der Durch­set­zung des Inter­netsper­rver­fahrens an den Tag legte, auch nur der Pro­fil­ierung der eige­nen Partei diente, nicht dem The­ma.
Und schließlich ist es das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um, bei dem sich so langsam die Frage auf­drängt, ob der Parteilob­by­is­mus der CDU auf Kosten von Men­schen­leben geht. Die Süd­deutsche Zeitung schreibt hierüber unter der Über­schrift In diesem ehren­werten Haus, die den ver­fehlten Anspruch kennze­ich­net, vorgestern in ein­er Weise, die fast schon zynisch ist:

Als “Lot­ter­haufen” werde das Min­is­teri­um beschrieben, sagt ein­er aus der Mitte dieses Haufens, was ein­er­seits nicht gerecht sei, ander­er­seits aber habe es schon mas­sive Ver­w­er­fun­gen gegeben unter der Nicht-Führung des Min­is­ters Franz Josef Jung. “In einem des­o­lat­en Zus­tand sei das Haus”, sagt ein ander­er, voller Fürsten­tümer und Kön­i­gre­iche, vom Mis­strauen zer­set­zt, mil­itärisch verun­sichert. Als Grund dafür wird die Regentschaft von Jung angegeben, “den man am lieb­sten gar nicht ein­be­zo­gen hat aus Angst, dass er wieder alles versem­melt”.

Im Artikel Die Höhe kommt Jungs Nach­fol­ger Gut­ten­berg nicht viel bess­er weg:

Als Gut­ten­berg ein paar Wochen im Wirtschaftsmin­is­teri­um gewirkt hat­te, sagte ein Hochrangiger dort, man wisse zwar nicht genau, was er mache, aber alle fän­den ihn net­ter als den Glos. Gut­ten­berg wird Erfolg zugeschrieben, bevor er noch Erfolg nach­weisen kann. Man nimmt ein­fach an, dass der Erfolg in der Nähe von Män­nern — gibt es diesen Typ eigentlich auch bei Frauen? — wie Karl-Theodor zu Gut­ten­berg wohnen muss.

Nun ist Gut­ten­berg aber gar nicht selb­st­tätig so hoch gestiegen, son­dern er ist der Fall jenes Berg­touris­ten, der von Führern auf alle möglichen Gipfel gebracht wird. Als Horst See­hofer in ein­er per­son­ell wie poli­tisch bemerkenswert mar­o­den CSU nach neuen Leuten, einem Gen­er­alsekretär, suchte, fand er Gut­ten­berg. Als Michael Glos aus dem Wirtschaftsmin­is­teri­um floh, fan­den See­hofer und damit auch Angela Merkel wiederum: Gut­ten­berg. Und als Merkel sehr schnell einen Nach­fol­ger für Jung brauchte, den sie auch in ihrer zweit­en Kan­zler­schaft wider besseres Wis­sen im Amt hal­ten wollte, da stand schon wieder bere­it: der mit­tler­weile pro­fes­sionelle Nach­fol­ger Gut­ten­berg. Es mag sein, dass er im kurzfristi­gen Übernehmen von Ämtern viel bess­er ist als im langfristi­gen Führen dieser Ämter. Beim Übernehmen näm­lich zählt der äußere Ein­druck.

Über­haupt zählt bei der CDU ja nur noch der Ein­druck: Christliche Werte und demokratis­che Prozesse sind so weit an den Rand gedrückt, wie sel­ten zuvor und eigentlich nur noch schmück­endes Bei­w­erk. Aber die Blöße, dass Parteilob­by­is­mus die ersten bei­den Buch­staben der Partei längst über­flügelt hat, will und kann sich bei der CDU sicher­lich nie­mand geben. PU macht jet­zt auch als Begriff nicht so einen schick­en Ein­druck.
Passend zum idee­len Ausverkauf der Partei unter­sucht nun nach der Süd­deutschen Zeitung (“Ohne ihr Net­zw­erk aus Uni, Poli­tik und pri­vatem Umfeld wäre die Min­is­terin nicht Frau Dok­tor. ”) auch der Deutsch­land­funk die Dok­torar­beit von Kristi­na Köh­ler und meint:

Um es gle­ich vor­weg zu sagen: Nie­mand sollte 39,95 Euro für dieses Buch aus­geben.

Die Arbeit ver­gle­icht Hal­tun­gen von CDU-Mit­gliedern, die im Bun­destag sitzen, mit solchen CDU-Mit­gliedern, die nicht im Bun­destag sitzen. Die Grun­dan­nahme ist also, es verän­dert sich in der Hal­tung etwas, wenn sie im Bun­destag sitzen. Und aus diesem Unter­schiedsver­hält­nis will Köh­ler Schlüsse ziehen, was rein wis­senschaftlich betra­chtet, vol­lkom­men boden­los ist. Aus Umfragezetteln kön­nen Sie nur sin­nvoller­weise das dort Angekreuzte wiedergeben, alle weit­eren Rückschlüsse sind willkür­liche Speku­la­tio­nen, die eher das wiedergeben, was der Speku­lant daraus erschliessen will.

Im Kern soll­ten die Befragten sagen, was ihnen wichtiger ist: Frei­heit oder Gle­ich­heit. Das Ergeb­nis war vorherse­hbar: Natür­lich ist Gle­ich­heit für Mit­glieder und Bun­destagsab­ge­ord­nete der CDU weniger wichtig als Frei­heit. Wobei Frei­heit im Sinne von Kristi­na Köh­lers Unter­suchung vor allem die Frei­heit des Wirtschaftens und des Strebens nach materiellem Wohl­stand ist. Von Frei­heit im Sinne von Bürg­er­recht­en und Pri­vat­sphäre ist nicht die Rede, kann auch nicht die Rede sein bei Kristi­na Köh­ler.

Das ist dann wohl grund­sät­zlich wie die Hal­tung der FDP: Man nen­nt immer nur das frei, was man ger­ade gut find­et.

Wer sich bis zum Ende durchgekämpft hat, der begreift, dass die ganzen 303 Seit­en der Dis­ser­ta­tion von Frau Dr. Köh­ler eigentlich nichts weit­er sind als eine Auf­forderung an die CDU, ihre neolib­erale Pro­gram­matik von 2005 zu rea­n­imieren. Der Fir­nis der Wis­senschaft kann diese Botschaft kaum überdeck­en.

Au, weia.
Ander­er­seits ist diese Analyse auch nur fol­gerichtig: Wenn eine Partei ihre Ide­ale verkauft, macht sie Platz für grob­schläch­terige Ideen wie den Neolib­er­al­is­mus.

Continue Reading

Frau Köhler ihr seine Doktorarbeit

… hat die Süd­deutsche ger­ade mal etwas inten­siv­er betra­chtet.

Köh­ler hat unter­sucht, ob und inwieweit die Wertevorstel­lun­gen von Bun­destagsab­ge­ord­neten der CDU mit denen der CDU-Mit­glieder übere­in­stim­men.
Im Wis­senschaft­s­jar­gon ist das eine klas­sis­che Typ-II-Arbeit. Typ I wären Arbeit­en, die inhaltlich wirk­lich etwas Neues zutage befördern und damit dem Autoren eine wis­senschaftliche Kar­riere eröff­nen. Zum Typ II zählen solche Arbeit­en, bei denen das erste Ziel der Titel ist.
Köh­lers Arbeit ist ver­gle­ich­sweise ein­fach gestrickt: Sie befragte CDU-Bun­destagsab­ge­ord­nete und CDU-Mit­glieder und erk­lärt am Ende Unter­schiede und Gemein­samkeit­en.

Ja, von solchen Arbeit­en brauchen wir unbe­d­ingt noch mehr von.
Ich hat­te ja kurz den Ein­druck, Kim sei etwas rabi­at gewe­sen, aber inzwis­chen hoffe ich inständig, dass Frau Köh­ler gute Staatssekretäre zur Seite ste­hen.

Continue Reading