Bei den Grünen hat sich MdB Volker Beck auf Twitter zu Wort gemeldet, der sich von den Piraten verraten fühlt. Für diese Äußerung wird er von der Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke gedeckelt. Darauf hin zieht Beck den Schwanz ein, tituliert seinen dazugehörigen Blogartikel als Ironie um und versucht klar zu stellen:
Mein Anliegen war es, unaufgeregt die Frage zu diskutieren, ob man eine Wahlentscheidung nach den Umsetzungschancen für politische Inhalte im Rahmen der wahrscheinlichen Mehrheitsverhältnisse fällt oder allein danach, welcher Partei man sich zuschreibt.
Die Frage scheint für Beck beantwortet, schließlich führt er nichts dazu an, weswegen man gute Gründe haben könnte, allein danach zu wählen, welcher Partei man sich zuschreibt. Das Wort allein liest sich auch so, als sei hierin weniger Wahlfreiheit enthalten, als wenn man taktisch wählt. Die Wortwahl welcher Partei man sich zuschreibt klingt, als ob hier vom Fan-sein eines Fußballclubs die Rede ist.
Es ist ein wenig seltsam, dass es gerade ein Grüner ist, der das taktische Wählen anpreist. Schließlich wusste man als Wähler der Grünen vor der Stimmabgabe zur Landtagswahl 2010 überhaupt nicht, für was für eine Koalition er da gestimmt hätte: Ampel, Jamaika, Rot-Grün, Rot-rot-grün — es war schlicht alles drin.
Nun scheint Beck zudem der Ansicht zu sein, dass man zum Anstoß einer Diskussion jede gleich wie gefärbte Frage in die Runde werfen darf ohne für die Färbung kritisiert zu werden. So verstehe ich zumindest den Vorstoß, den Beitrag als Ironie zu betiteln und nicht mehr als ernsthafte Äußerung. Und da kann man eben was gegen haben.
Was für ein Demokratieverständnis ist es eigentlich, Wählern zu empfehlen, nicht mehr Politiker inhaltlich so ernst zu nehmen, dass man dessen Stimme mit seiner Stimme unterstützt, unabhängig davon, welche politischen Möglichkeiten sich diesem dadurch ergeben? Fühlt sich der Wähler da noch ernst genommen? Fühlt sich der Sachpolitiker, dem aus Taktik Stimmen entzogen werden, da noch ernst genommen? Sollten wir Wahlergebnisse umrechnen in die Ergebnisse der Leihstimmen und die der authentischen?
Es ist eine Sache, wenn sich Wähler enttäuscht zeigen, sei es, weil ihre eigene Stimme angeblich nichts bewirkt, oder weil Koalitionen herauskommen, die niemand gewählt hat. Etwas anderes ist es, wenn Politiker die Entscheidungsberechtigung ernsthaft abgegebener Wahlstimmen untergraben. So gesehen ist es verwunderlich, wie intensiv man nachforscht, was Mitglieder der Linkspartei über die Legitimität der DDR sagen, und wie intensiv man ignoriert, wie die Mitglieder des Bundestags ihrerseits eigentlich Demokratie verstehen.
Aber eigentlich war ja auch alles Ironie, wenn ich das richtig verstanden habe.