Erst hat er ein Interview-Buch mit Helmut Schmidt veröffentlicht, nun kommt eins mit Ex-Bundesverteidigungsminister Guttenberg: Giovanni di Lorenzo etabliert sich als erste Adresse für Politikergespräche auf Homestory-Niveau. Man weiß gar nicht, ob man das gut oder schlecht finden sollte.
In der aktuellen Ausgabe der ZEIT findet sich ein durchaus imposantes mehrseitiges Interview di Lorenzos mit Guttenberg [Zusammenfassung]. Es soll den Ex-Minister rehabilitieren, so lange noch etwas von seinem einstigen medialen Schein auf ihn fallen kann. Das kann man zumindest dem Interviewten ankreiden. Beim Interviewer sieht das allerdings anders aus: Schon bei seinen Anmerkungen zu den Schmidt-Interviews hob er immer wieder heraus, was für ein Stil der ganzen Laberei innewohnte: Wie Helmut Schmidt durchs Haus kommt, wie er raucht, wie er Pausen macht. Di Lorenzos Aufgabe bei diesen Interviews ist nur eine: Die Rede unterstützendes Rezipieren. Es ist kein Streitgespräch, kein Diskurs auf gleicher Höhe, sondern immer nur ein Versuch auf die vermeintliche Höhe zu springen. Es ist das Coffee & Cigarettes des Feuilleton, ein Altherrengespräch, dessen einzige Ambition das Reflektiertwerden ist. Irgendwie verwunderlich, dass sich noch niemand bei der BUNTE beschwert hat, dass ihr Konzept so plump abgekupfert wird.
Dasselbe Strickmuster wendet di Lorenzo bei Guttenberg an: Den Plagiator reden lassen, ein paar Einwände, aber nicht zu viele, es soll ja kein Streitgespräch werden. Di Lorenzo entwickelt keine eigene Position, spielt zumindest nicht den intellektuellen Gesprächsgegenpart, und da stellt sich eigentlich schon die Frage: Was soll das Ganze? Kann die Lorenzo nicht anders? Hat er nur sein Blatt im Auge, das nun erste Adresse für Politikerhomestories von rechts wie links ist? Das wäre ohne Frage schon ein gewisses Pfund für die ZEIT.
Aber wenn man nun einmal das Interview mit Guttenberg kritisch beäugt, kann man eben auch feststellen: Guttenberg alleine kann das Gespräch nicht sonderlich interessant gestalten: Plumpe Behauptungen, aber auch keine ernsthaft bemerkenswerten Provokationen. Keine rheotrische Finesse, nur ein Kontern-ins-Off auf Zwischenbemerkungen von di Lorenzo. Keine Größe, keine politische Stellungnahme, die erhellend ist. Langweilig ist das Gerede.
Das Interview zeigt: Guttenberg strahlt nicht. Zumindest nicht ohne die Scheinwerfer der Medien. Und vielleicht sollte man di Lorenzo für diese Darstellung schon wieder dankbar sein.
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Eine Interviewanfrage des Deutschlandradios über die Rolle der ZEIT beim Relaunch Guttenbergs lehnte di Lorenzo nach Angaben des Deutschlandradios ab. || Ulrich Horn sieht die Sache ähnlich.
Guttenbergs Gießkanne
Was hat die Union in letzter Zeit nicht schon alles angestellt, um das Feuer, das der Guttenberg-Skandal entfacht hat, auszutreten: Da wurde überhastet versucht, die Internetzensur in Deutschland einzuführen, da wurden Muslime in Deutschland beleidigt, aber es half alles nichts, das Thema Guttenberg und sein Plagiat ist nicht tot zu kriegen.
Ich habe schon Anfang März gesagt, dass Guttenbergs Doktorarbeit so etwas wie den Inbegriff eines Plagiats darstellt, und das scheint sich in der Tat zu etablieren. Wer immer an der Universität Arbeiten auf Plagiatismus untersuchen muss, der kann anhand der Arbeit Guttenbergs die Tricks lernen.
Inzwischen werden schon Namen für Guttenbergs Arten zu plagiieren vergeben, z.B. Guttenbergs Gießkanne. Guttenberg hat offensichtlich dutzende Male Fußnoten aus einer Arbeit seines eigenen Doktorvaters übernommen. Auf der Seite Guttenplag erklärt man dies so:
Mit dieser Methode suggeriert man dem Doktorvater ohne viel Aufwand, dass man die relevante Literatur kennt.
Die Mitarbeiter von Guttenplag können sogar so weit gehen, dass nachgewiesen wird, dass Guttenberg im Original des Doktorvaters namentlich falsch zitierte Autoren einfach übernommen hat, weil der Fehler des falschen Namens blieb.
Das hier dokumentierte Vorgehen zeigt, dass an vielen Stellen der Arbeit nicht einmal der Versuch einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung unternommen wurde.
Mit der deutschen Wissenschaft sollte sich Guttenberg wohl kein zweites Mal anlegen. Und sein Doktorvater wird es nicht auf Google schieben können, dass ihm Plagiate seiner eigenen Arbeit entgangen sind.
Guten Morgen
Gestern wurde gesucht, heute ist Aschermittwoch, da wird aufgeräumt, und das nicht zu knapp:
Ulrich Horn nimmt sich energisch den Skandal um Guttenberg sowie CDU und CSU im besonderen zur Brust:
Der Guttenberg-Skandal verlangt nach Konsequenzen. Er hat dem Ansehen der Politik geschadet. Das Show-Geschäft versuchte, sich der Politik zu bemächtigen. Ob sich die repräsentative Demokratie gegen diesen Angriff dauerhaft behaupten kann, ist noch nicht ausgemacht. Gestützt auf seine Popularität wollte Guttenberg Maßstäbe verschieben und Regeln außer Kraft setzen, um seine Verfehlungen zu kaschieren. Solche Attacken dürfen nicht gelingen. Damit sie scheitern, sind Politiker mit Rückgrat nötig. Der Fall Guttenberg zeigt: Die Parteien müssen die Auswahl ihrer Mandatsträger verbessern, wenn sie Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und ihren Gestaltungsanspruch aufrechterhalten wollen.
Rouven räumt mit dem Vorurteil auf, er könne gut mit Kindern umgehen in Frühkindliche Autorerotik.
Denis räumt mit wichtigem Zeugs aus seiner Schulzeit auf.
Und während ich mir die Frage stelle: Was oder womit könnte ich denn heute mal aufräumen? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
[ Foto: Luc van Gent ]
Wie ist das eigentlich mit… der Bewertungsverteidigung einer Doktorarbeit?
Das ist wohl ein Novum im Wissenschaftsbetrieb: Die öffentliche Verteidigung der Akzeptanz und Bestnotenbewertung einer Doktorarbeit durch die universitären Betreuer. Leider ist sie nicht überzeugend.
Natürlich ist es eine Frechheit, was Karl-Theodor Guttenberg den Prüfern seiner Doktorarbeit untergejubelt hat. Und es ist eine weitere Frechheit, diesen jetzt unterjubeln zu wollen, es handle sich bei den Fehlern um einzelne Fußnoten, die fehlen, und zu behaupten, Guttenberg sei der Überblick verloren gegangen. Eine vertrauliche persönliche Beziehung entlässt aber nicht das persönliche kritische Arbeiten im wissenschaftlichen Bereich, gerade nicht bei Magna-cum-laude-Doktorarbeiten.
Wenn die zuständigen Professoren Häberle und Strinz ihre Bewertung nun schon öffentlich verteidigen, sei sie kritisch hinterfragt:
— Einen hoher “Grad der Durchdringung des Themas in allen seinen Facetten” stelle mir als Grundlage jeder Doktorarbeit vor. Eine Bestnote in einer Doktorarbeit muss anders begründet werden.
— Der Satz, dass das Kapitel über den Gottesbezug eine damals aktuelle Diskussion des Verfassungsvertrags der EU aufnähme ist etwas zähneknirschig ob der schlichten Kopie des größten Teils dieses Kapitels, was aber nicht entdeckt werden konnte, weil die Prüfer Google nicht verwendet haben.
— Die Annahme allerdings, man hätte 2006 Google noch nicht zur Identifizierung von Plagiaten nutzen können, ist schlicht falsch. Zudem wird durch diese Behauptung die Frage aufgeworfen: Haben die beiden Bewerter bis 2006 bei ihren Doktoranden überhaupt keine zeitentsprechende Plagiatsprüfung durchgeführt?
Wovor rettet denn nun diese Doktorarbeitsbewertungsverteidigung wen?
Was ich noch sagen wollte… zur Christlich-Demagogischen Union
Aus konservativen Kreisen kam nach dem Rücktritt Guttenbergs wiederholt die Aufforderung das Thema Guttenberg nun gut sein zu lassen. Aber genau das ist Teil der Anti-Aufklärung, die die Union weiterhin betreibt: Die polemische Abkanzlung kritischer Analysen.
Andreas Fischer-Lescano, der den Guttenberg-Skandal ins Rollen brachte, hat eben diese Anti-Aufklärung im Sinn, wenn er in Anlehnung an Luhmann eine eigene Kausalität im Süden konstatiert:
Der Verteidigungsminister gibt die Linie der Argumentation vor, die Bayreuther Kommission spinnt sie dankbar weiter. Die Wissenschaftsinstitution befreit den Politiker von einer lästigen Diskussion; der Politiker beendet eine für die Universität reputationsschädliche Diskussion.
Nach Luhmann macht genau das die „Kausalität im Süden“ aus: Errungenschaften des Rechtsstaats und der funktionalen Ausdifferenzierung werden kurzgeschlossen. Das Recht wird kreativ angepasst. Man könne, so Luhmann, gerade im Süden beobachten, dass die Gewohnheit, „in Netzwerken der Hilfe, der Förderung und der erwartbaren Dankbarkeit zu denken, erhalten geblieben, aber von der gesellschaftlichen Stratifikation auf die Organisationen übertragen worden ist“. Die „ansprechbaren“ Ressourcen würden aus den Kompetenzen „abgezweigt“, die Positionen in Organisationen zur Verfügung stellten. Oft genüge das Prestige einer Position, um sich für etwas einzusetzen, was mit den Aufgaben des Amtes nichts zu tun hat.
Ich bin kein so großer Luhmann-Fan, daher halte ich es lieber mit dem Begriff der Anti-Aufklärung als eine gegen die Aufklärung gerichtete Denkweise.
Im Guttenberg-Skandal ist es Guttenberg selbst, der diese Anti-Aufklärung betreibt. Guttenbergs rhetorischer Trick ist immer derselbe: Er nimmt eine berechtigte Sachkritik und sagt dann, er habe darauf angemessen und durchdacht reagiert. Das ist so wie bei einem Fußballer, der nur eine einzige Dribblingsart beherrscht. Aber das reicht in der Union, denn dribbeln kann da kein anderer. Wer jetzt in Frage stellt, dass das angemessen oder durchdacht ist, was Guttenberg von sich gibt, gerät in die Gefahr, als übertreibender Nörgler da zu stehen. Diesen Vorteil erredet sich Guttenberg.
Guttenberg hat so beim sogenannten Krisenmanagement der Plagiatsaffäre schon in Kelkheim am 21.02.2011 stark die Presse angegriffen. Das geschah durch Ausspielen der angesprochenen Zuhörer als Öffentlichkeit und den Medien als Hauptstattpresse. Durch diese Gegenüberstellung sagt er, dass die Medien gar nicht zur Öffentlichkeit gehören.
Auf der Spitze dieser Darstellung sagt Guttenberg, dass die Zuhörer besser ihm direkt lauschen, als das lesen, was Medien wie die FAZ über ihn schreiben. Grotesk wird die Aussage gerade dadurch, dass Guttenberg die Einleitung seiner Doktorarbeit vollständig aus der FAZ kopiert hat. Der nackte Kaiser merkt auf dem Höhepunkt seiner öffentlichen Bejubelung nicht, was für eine Witzfigur er eigentlich abgibt.
Aber auch andere Politiker in der Union basteln fleißig an der Anti-Aufklärung:
Kristina Schröder hat in ihrer zu Recht kaum beachteten Doktorarbeit den interessanten Unterschied zwischen CDUlern auf Bundesebene und CDUlern an der Basis gemacht. Sie wollte wissenschaftlich herausfinden, wie man derartige Unterschiede methodisch analysieren kann. Völlig ignoriert hat Köhler dabei die Möglichkeit, dass CDU-Politiker auf Bundesebene eben gar nicht nach wissenschaftlich erfassbaren Kriterien arbeiten, sondern ledliglich machtorientiert. Aber es ist schon interessant, dass jemand von der Bundesebene dieses mögliche Missverhältnis wissenschaftlich adeln möchte.
Schließlich der CSU-Bundesministernachfolger von Guttenberg, Hans-Peter Friedrich. Dieser hat zu Amtsbeginn den kaum verständlichen Satz formuliert:
Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.
Unterm Strich hat Friedrich etwas gesagt, was er nicht sagen wollte, nämlich: Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache. Historische Belege fehlen, aber es ist eine Tatsache.
Er wollte wohl eher sagen, dass es eine Behauptung ist, der historische Belege fehlen. Leider fehlen die aber gar nicht. Aber es geht ihm ja auch nicht um Aufklärung. Friedrich bedient lediglich nationalistische Gefühle: Dazugehören und integrieren, d.h. alte Sitten ausradieren, wenn sie nicht deutsch sind, weil sie nicht deutsch sind, egal wie gut begründet sie sein mögen. Wohl gemerkt: Für die Union heißt integrieren nicht partizipieren.
Teile von CDU und CSU sind also auf der Suche nach der eigenen konservativen Identität im Nationalismus gelandet. Von hier aus herzlichen Glückwunsch.
Guten Morgen
Die Pro-Guttenberg-Demonstrationen sind gestern dann doch eher mikrig ausgefallen. In Leipzig war keine Sau. Wenigstens hatte Henryk M. Broder seinen Spaß.
Bei der NZZ wirft man einen nachsichtigen Blick auf die derzeit rekonvaleszierenden CDU und CSU.
Die Einnahme des Schmerzmittels Iboprophen könnte vor Parkinson schützen.
Und während ich mir die Frage stelle: Hat die Union inzwischen eingesehen, dass eben keine Mehrheit der Deutschen Guttenberg ernsthaft zurück will? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
[ Foto: Luc van Gent ]
Guten Morgen
Hach, diese neue Einigkeit in CDU & CSU ist schon schön: Da faselt der neue CSU-Innenminister was davon, dass es für ihn eine unbelegte Tatsache, dass der Islam in Deutschland verwurzelt ist und die Bundeskanzlerin sagt, den solle man mal labern lassen, sie habe ihn nicht als Pflanzenbeauftragten eingestellt oder so.
Von Guttenberg wissen wir ja, dass er in intensivster Kleinarbeit seine Herzensangelegenheit Bundeswehrreform bis zu letzt voran getrieben hat, so dass er ein gut bestelltes Haus übergeben konnte. Der Bundeswehr hat das wohl so gut gefallen, dass die erste Maßnahme ist, den Erfinder dieser Bundesreform an die frische Luft zu setzen.
Beim Deutschlandfunk lief gestern das Feature von Gaby Weber über ihre Untersuchungen zum Fall Adolf Eichmann. Die Autorin hat nach langer Zeit endlich vom BND Zugang zu damaligen Akten bekommen.
Und während ich mir die Frage stelle: Hat solch ein holterdipolter CSU-Innenminister eigentlich mehr Kredit bei der Kanzlerin, weil sein Vorgänger schon so gegangen werden musste? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
[Foto: Luc van Gent]
Erste Maßnahmen nach der Machtergreifung
Es sind jetzt die ersten Maßnahmen geleakt worden, wenn die ProGuttenberg-Facebook-Gruppe den Führer ihren Liebling zurück an die Macht bekommt: Die Chefredakteure von ARD und ZDF werden gegen folgsamere Journalisten ausgetauscht und der Doktorvater von Guttenberg kommt auf die Anklagebank:
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist also Elmar Theveßen Guttenbergs Ghostwriter. Wer hätte das gedacht .
Guten Morgen
Wolfgang Michal bedankt sich bei Guttenberg, dass er dafür gesorgt habe, dass der klassische Journalismus die nichtklassischjournalistischen Internetbenutzer respektiere.
Hoch her ging es gestern im Fernsehen zu Guttenberg bei Hart aber fair und beim wieder etwas überforderten Markus Lanz, was man jeweils dort nachgucken kann. Für Guttenberg wird da gerne dessen angeblich tadellose Leistung als Verteidigungsminister ins Spiel gebracht, auch wenn das Bundeskanzleramt seine Bundeswehrreform am liebsten in die Tonne kloppen würde.
Die Katholische Kirche will Opfern katholischer Geistlicher und Mitarbeiter 5.000€ plus Therapiekosten zahlen.
Friedrich Küppersbusch kümmert sich bei Radio Bremen dieseWoche um den Lügenbaron: [audio:http://httpmedia.radiobremen.de/mediabase/043959/043959_152139.mp3]
Und während ich mir die Frage stelle: Wer hat denn nun was vom abgebliche neuen Respekt des untergehenden klassischen Journalismus’? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
[ Foto: Luc van Gent ]
Guttenbergs Dolchstoßlegende
Die Union hat gestern gemeint, man solle derzeit im Fall Guttenberg Ruhe einkehren lassen, aber angesichts des Umstands, dass Guttenberg in diesem Schatten gestern eine solche Dolchstoßlegende vom Stapel gelassen hat, ignoriere ich diesen Wunsch einmal.
Guttenberg behandelt in seiner Rücktrittsrede (s.u.) grob vier Oberthemen:
1. Den Schulterschluss zu seinen Verbündeten
(Merkel in [1] und [39], “die Mehrheit der deutschen Bevölkerung”, die vielen Mitgliedern der Union, Seehofer und den Soldatinnen und Soldaten, “die mir bis heute den Rücken stärkten” in [38], letztere auch in [22]),
2. Das Identifizieren und Abkanzeln seiner “Gegner”
([6], [7], [9 “wenn es…” > soll es ja nicht], [30], [31], [32], [35] und [41]),
3. Die Sachlage
([5], [10], [16], [22], [35]),
und alles überstrahlend
4. Die historische und charakterliche Größe der eigenen Person
([2], [4], [5], [7], [8], [11], [12], [13], [14], [18], [19], [20], [22], [23], [24], [25], [27], [28], [29], [32], [33], [34], [36], [42] und [43]).
Abgesehen von der Gewichtung der einzelnen Bereiche fällt auf, dass der Sachlage im Zusammenhang nie mehr als ein Satz gewidmet wird. Und diese Sätze stehen so weit voneinander entfernt, dass sie für einen Zuhörer nicht in einem Zusammenhang stehen.
In der Selbstinszenierung dreht Guttenberg seine Realitätsdarstellung natürlich auch so, als sei sein Handeln eine Reaktion auf die in Rede stehende Sachlage. In [3] sagt er, er gehe nicht allein wegen seines Plagiats. Aber schon in [10] ignoriert er [3] und sagt, er gehe, weil er nicht mehr verantworten könne, dass es [9] auf dem Rücken der Soldaten in den Medien nur noch um seine Person ginge. Unser Held geht [31] als Opfer zerstörerischer medialer und politischer Mechanismen, um andere zu schützen, um sich aufzuopfern, weil er sich [43] eh schon aufgeopfert hat. Wohlgemerkt: Schuld an [7] sind die Medien ([6] und [29]).
Kleiner geht’s nicht.
Zunächst: Guttenberg hat in den letzten Wochen wiederholt abgestritten, ein Plagiat angefertigt zu haben. Insofern ist das in Rede stehende Thema brennend aktuell. Diese Dolchstoßlegende ist aber gerade deswegen so perfide, weil Guttenberg sich selbst so ins Blitzlichtgewitter gestürzt hat. Er ist ja nicht gezwungen worden, eine Kerner-Sendung aus Afghanistan mitzumoderieren oder vor Kameras der Klatschpresse in Pose zu hüpfen. Und er selbst ist es, der mediale und politische Mechanismen betätigt, indem er einerseits bis Montag versucht hat, das Thema auszusitzen ohne die Konsequenzen, aus denen er nach eigener Inszenierung [10] schließlich zurücktritt, ziehen zu müssen, und andererseits indem er auch im Abgang den Schulterschluss zur “Bild”-“Zeitung” ausführt und diese als erstes Medium informiert. So schmierig ist der letzte Akt des Verteidigungsminsters Guttenberg.
Man kann nur hoffen, dass ein paar Leute in der Union dankbar sind, was für ein Kelch da gerade an ihnen vorbei gegangen ist.
Die Rücktrittserklärung Karl-Theodor Guttenbergs als Verteidigungsminister am 01. März 2011
[1] Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde und um meine Entlassung gebeten. [2] Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens. [3] Und ich gehe nicht alleine wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit, wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. [4] Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann.
[5] Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt. [6] Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt — mit Blick auf die größte Bundeswehrreform in der Geschichte, die ich angestoßen habe, und mit Blick auf eine gestärkte Bundeswehr mit großartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans Herz gewachsen sind. [7] Wenn allerdings, wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten statt.
[8] Unter umgekehrten Vorzeichen gilt Gleiches für den Umstand, dass wochenlang meine Maßnahmen bezüglich der “Gorch Fock” die weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika zu überlagern schienen. [9] Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten. [10] Und deswegen ziehe ich, da das Amt, Bundeswehr, die Wissenschaft und die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen, die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte.
[11] Ich habe wie jeder andere auch zu meinen Schwächen und Fehlern zu stehen. [12] Zu großen und kleinen im politischen Handeln, bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit. [13] Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. [14] Deswegen habe ich mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse verletzt habe. [15] Und ich wiederhole dies auch ausdrücklich heute. [16] Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete. [17] Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender, aber allzu menschlicher Grund.
[18] Wohl niemand wird leicht, geschweige denn leichtfertig, das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt. [19] Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen und deren Leben beinhaltet. [20] Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser Tragweite jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz die gebotene Zeit zu nehmen hatte. [21] Zumal Vorgänge in Rede stehen, die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen.
[22] Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für mich gerade eine Frage des Anstandes, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu lassen. [23] Es war auch ein Gebot der Verantwortung gegenüber diesen, ja gegenüber allen Soldaten. [24] Und es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen. [25] Deshalb letzte Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten entscheidenden Reformschritt verwandt wurde, der nun von meinem Nachfolger bestens vorbereitet verabschiedet werden kann. [26] Das Konzept der Reform steht.
[27] Angesicht massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen: Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo ich mit der Bitte um Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen gezogen habe. [28] Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor all jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen. [29] Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität, sollte dies noch erforderlich sein, zeitnah geführt werden können.
[30] Die enorme Wucht der medialen Betrachtung meiner Person, zu der ich selbst viel beigetragen habe, aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie. [31] Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen Geschäft zerstörerisch sein können. [32] Wer sich für die Politik entscheidet, darf, wenn dem so ist, kein Mitleid erwarten. [33] Das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen. [34] Ich darf auch nicht den Respekt erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig entgegen genommen werden.
[35] Nun wird es vielleicht heißen, der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. [36] Das mag sein oder nicht sein. [37] Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln. [38] Ich danke von ganzem Herzen der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung, den vielen Mitgliedern der Union, meinem Parteivorsitzenden und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten, die mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundesverteidigungsminister nicht zurückzutreten.
[39] Und ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin, für alle erfahrene Unterstützung und ihr großes Vertrauen und Verständnis. [40] Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Maß an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden. [41] Insofern gebe ich meinen Gegnern gerne recht, dass ich tatsächlich nicht zum Selbstverteidigungs‑, sondern zum Minister der Verteidigung berufen wurde. [42] Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag. [43] Ich war immer bereit, zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht. [44] Vielen Dank.