Oktoberlese
- Lion Feuchtwanger — Die Geschwister Oppermann Etwas langatmig anfangender, aber schnell hellsichtig Fahrt aufnehmender Klassiker über eine jüdische Kaufmannsfamilie im Jahr 1933, als Hitler die Macht übernimmt und die deutsche Gesellschaft Auflösungserscheinungen zeigt. Hat keinen Staub angesetzt, im Gegenteil. Angsichts des Erstarkens des Rechtspopulismus in Deutschland erschüttert die Lektüre:
Widersinn und Lüge war, was die Machthaber dieses Reiches taten und was sie ließen. Lüge, was sie sagten und was sie verschwiegen. Mit der Lüge standen sie auf, mit der Lüge legten sie sich nieder. Lüge war ihre Ordnung, Lüge ihr Gesetz, Lüge ihr Urteil, Lüge ihr Deutsch, Lüge ihre Wissenschaft, ihr Recht, ihr Glaube. Lüge war ihr Nationalismus, ihr Sozialismus, Lüge ihr Ethos und ihre Liebe. Lüge alles, und echt nur eines: ihr Haß.
- David Hasselhoff, David Gordon — Up against the wall Wie wir alle wissen, hat David Hasselhoff die Mauer eingerissen, was aber nur wenige wissen, ist, dass er vorher noch in der DDR eine Atombombe entschärft hat. Gewitzte Ausnutzung des Fürmöglichhaltens eines Hasselhoffschen Einflusses auf die deutsche Geschichte, die teils trashig, teils langatmig ist, teils aber auch an die gute alte Knight-Rider-Zeit erinnert.
- Sanne Blauw — Het bestverkochte boek ooit
(deutsch: Der größte Bestseller aller Zeiten) Wieder ein niederländischer Schinken aus der Correspondenten-Ecke, der sich groß aufbläht und wenig Erhellendes mit sich bringt. Ja, viele Zahlen werden heutzutage um sich geschmissen, ja, oft täuschten die eine wissenschaftliche Belegung vor, die sich nicht einhalten. aber nein, wie bei jeder anderen politischen Aussage, muss man sowas einfach nicht glauben und darf sie einer Überprüfung unterziehen.
Daten abgrasen mit Lockes Arbeitstheorie?
Die Vorsitzende von Angela Merkels Digitalrat, Katrin Suder, ruft zum allgemeinen Datensammeln auf:
Die Idee, dass den Deutschen ihre Daten im Sinne eines Dateneigentums gehören könnten, hält Suder für nicht praktikabel. In der FAS verwies sie dabei auf den Philosophen John Locke: “Wer die Arbeit aufwendet, dem gehört der Mehrwert. Aber das Sammeln der Daten ist in den Zeiten des Internet of Things keine Arbeit, ihr Wert entsteht erst bei der Auswertung.”
Nun gut, das Sammeln von Daten hätte auch John Locke nicht als Arbeit angesehen. Ebenso wenig wie das Auswerten von Daten. John Locke hat überhaupt nur von Arbeit im Bereich der Landwirtschaft geschrieben. Die Kernaussage findet sich hier in seinem Werk Second Treatise, Sektion 27:
The labour of his body and the work of his hands, we may say, are strictly his. So when he takes something from the state that nature has provided and left it in, he mixes his labour with it, thus joining to it something that is his own; and in that way he makes it his property.
Weiter redet Suder in eigener Interpretation:
“In der analogen Welt haben wir feste Regeln”, sagte sie der FAS. “Wenn ich in einen Aufzug steige, dann muss ich vorher nicht irgendwelchen Nutzungsbedingungen zustimmen. Ich kann mich darauf verlassen: Der Aufzug ist vom TÜV abgenommen, ich muss mir keine Gedanken machen.” Genauso sei es bei digitalen Produkten. “Ich will nicht irgendwelche Klauseln durchlesen, die kein Mensch versteht. Ich will, dass der Gesetzgeber die nötigen Regeln erlässt.”
Das ist das Schöne an so philosophischen Argumentationen: Irgendwann darf man Leuten Aufzüge erklären. Also, Frau Suder: In Aufzügen wird angegeben, was die Höchstlast ist. Und wenn man die überschreitet und dadurch ein Schaden entsteht, muss man dafür bezahlen. Denn durch die Nutzung des Aufzuges habe ich genau diesen Nutzungsbedingungen zugestimmt. Man kann nicht einfach so Aufzug fahren, nur weil dieser vom TÜV getestet wurde.
Selbst wenn man Locke richtig interpretierte, dass das Auswerten von Daten, d.i. eine immaterielle Sache, eine Arbeit darstellt, so ist die Datengrundlage selbst von individuellen Menschen hergestellt und mit nichten ein freies Gut. Aber nur von einem freien Gut nimmt Locke an, das hieraus Mehrwert durch individuelle Arbeit entsteht, das Besitztum rechtfertigt. Wenn ich einen Apfelkuchen herstelle mit geklauten Äpfeln vom Nachbarn, die dieser selbst gezüchtet hat, dann besitzt dieser sehr wohl einen Verdienst an diesem Apfelkuchen und nicht nur ich alleine.
Gute Nacht
Eine Masernerkrankung zieht nach sich, dass das komplette Immunsystem über Monate geschwächt wird, wenn man dem verlinkten Text mal Glauben schenken darf.
Youtuber merken, dass sie von der Willkür Youtubes abhängen und protestieren mit der IG Metal:
Der Arbeitsrechtler Björn Gaul von der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle zieht in Zweifel, ob die IG Metall vor Gericht Erfolg haben wird. (…) “YouTuber sind keine Arbeitnehmer”, sagt er.
Der Gesetzgeber müsste aktiv werden und neue Regelungen zum Schutz dieser Personengruppe schaffen, wenn die Rechtslage verändert werden soll. “Ich habe ganz erhebliche Zweifel, ob die Bundesregierung hierzu bereit ist.”
Wenn man Rheinische-Post-Artikel inhaltlich erfassen möchte, kann man RTL.de ansteuern. Dort liest man, dass der Gerresheimer Pilot Patrick Sondenheimer, der 2015 bei der Flugkatastraophe mit 150 Opfern gestorben ist, seine Kinder bei uns gegenüber in der Kita hatte und ein feiner Kerl war.
Guten Morgen
In Düsseldorf nehmen erste Schnellimbisse kein Bargeld mehr an. Da scheint man als Kunde auch in Vorleistung gehen zu müssen. Aber endlich mal ein Artikel, der meine Meinung auch enthält:
Carina Peretzke vom Handelsverband kennt die Vorteile aus Sicht der Gastronomen und Händler. Der Kundenwunsch sei aber ein anderer: „Der Kunde will entscheiden, ob er mit Karte oder Bargeld bezahlt“, sagt sie. Nach wie vor hänge der Deutsche an seinem Bargeld: Das Bezahlen ist anonym, niemand kann nachverfolgen, wo der Kunde was gekauft hat. Außerdem meinen Bargeldbefürworter, mit Scheinen und Münzen einen besseren Überblick über Ausgaben zu haben.
Falls nopch jemand täglich Comics in seinem Feedreader braucht, hier lang. [via]
Michael Seemann hat schon im März seine These von den 5 Phasen der Digitalisierung rausgehauen. So schwach und beliebig ich die Darstellung auch finde, im Hinterkopf behält man sowas. [via]
Und während ich mir die Frage stelle: Wann kommt die nächste große Digitalwelle? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
Gute Nacht
Das Altpapier von René Martens ist heute fast ein Klassiker und gehört dringendst gelesen. Zur Causa FAZ lädt Gauland zum 70sten Geburtstag ein:
Letztlich hat die FAZ einen alten Weggefährten eingeladen. Als Gauland Herausgeber der Märkischen Allgemeinen war — von 1991 bis 2005 — gehörte diese noch zum FAZ-Reich. Warum er — nachdem er in seiner Eigenschaft als christdemokratischer Staatskanzlei-Chef der sog. Affäre Gauland ihren Namen gegeben hatte — überhaupt für geeignet gehalten wurde für den Job bei der MAZ, wäre auch noch mal zu klären. Jedenfalls: Zu einer Medienbetriebsfigur ist Gauland überhaupt erst im FAZ-Imperium geworden. In seinem zweiten Karriereschnitt in den Medien wirkte er dann — unter anderem — als Power-Kolumnist beim Tagesspiegel.
Es ist wohl die richtige Zeit, um sich mal die Heizung im Wohnzimmer erklären zu lassen. [via]
Kinderernährung ist ein heiß umkämpftes Thema, wie ich gerade wieder auf Facebook feststelle, wo eine Gesundes-Essen-für-Babys-Bloggerin Süßigkeiten als Alternative zu frischem Obst und Gemüse anpreist — zumindest die des Herstellers, für den sie Werbung macht.
Und während ich mir die Frage stelle: Wie nennt man denn Leute, die freiwillig Greenwashing für andere betreiben? fahre ich den Rechner runter.
Guten Morgen
Die Bundesregierung erwägt die Abschaffung des Heilpraktikerberufes. Mir scheint, dass da aber auch sehr der Wunsch Vater des Gedanken ist.
Die New York Times analysiert, wie Donald Trump das US-amerikanische Präsidentenamt in 11.000 Tweets veränderte.
Konstantin Klein hat sich den weltweit sichersten E‑Mail-Dienst angesehen und ist ernüchtert.
Und während ich mir die Frage stelle: Was machen eigentlich die Heiltheoretiker? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
Gute Nacht
Die Thüringische CDU will mit der AfD anbandeln und irritiert damit den eigenen Bundesvorstand. Aus sowas sind schon Abspaltungen entstanden.
Facebook verpasst seiner Facebook-Marke, nicht der Seite, ein neues Logo. Die wissen irgendwie nicht, wo vorne ist.
Ich hatte ja schon erwähnt, dass das Probeabo von uebermedien.de mich nicht gepackt hat, verlinken tue ich die Kollegen aber gerne, wenn sowas kommt wie eine entlarvende Darstellung eines Typen aus der Höhle der Löwen.
Und während ich mir die Frage stelle: Sollte man sich den Titel “Rechtskonservative Union” vorsorglich sichern? fahre ich den Rechner runter.
Guten Morgen
Klaus Stuttmann ahnt was vom neuen Logo der CDU Thüringen.
Die Zukunft von Friday for Future ist gesichert: Zwei Drittel aller nationalen Klimaschutzpläne sind ungenügend.
Ken Levine konstatiert, dass die Fernsehsaison in den USA dieses Jahr keinen neuen Hit herausgebracht hat.
Und während ich mir die Frage stelle: Wann hatten die Deutschen denn zuletzt mal einen Fernsehhit? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
Guten Morgen
Heute morgen habe ich der Prinzessin mal Pfannkuchen zum Frühstück gemacht. Die sind glücklich verputzt worden.
Ostdeutsche und westdeutsche Familien unterscheiden sich heutzutage noch in folgender Hinsicht:
Jedes zweite Kinder unter drei Jahren besucht im Osten eine Kita, im Westen nur jedes dritte.
Michael Wulinger schnappt auf, was der Oberrabbiner Michel Gugenheim zu liberalen Juden meint:
»Sie können eine positive Rolle spielen, wenn sie säkulare Juden wieder zum Glauben zurückführen und die dann zur Orthodoxie finden.«
John Bercow hält den Brexit für den größten Fehler der Briten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Und während ich mir die Frage stelle: Was lernen Kinder mit zwei Jahren eigentlich in einer Kita? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.