Ich war sehr ernüchtert, als ich vor kurzem erst mitbekam, dass Antonie Kamerling gestorben ist. Seine Ehefrau schrieb dieses Buch über ihr Zusammenleben mit Kamerling, die Anfänge der Karrieren der beiden, das Gründen der Familie und die bipolare Störung, unter der Kamerling litt und nicht überwinden konnte. Der Titel ist der seines größten Hits. Das Buch ist so ehrlich wie bitter, weil mehr Fragen und Zweifel bleiben, als ausgeräumt werden können. Es ist ein Protokoll des Mitleidens und Scheiterns, des Sich-Übergebens an den Tod und des Standhaltens. Es ist eines der besten Bücher in der niederländischen Literatur der letzten Jahre.
Biller, Maxim — Der gebrauchte Jude
Maxim Biller ist ein begabter Schriftsteller, dem seine Eitelkeit etwas im Weg steht, aber das ist eben auch sein Weg. Dieser biographische Schmöker bietet einen interessanten Einblick in das Leben eines jüdischen Schriftstellers in Deutschland, das zwangsläufig aneckt und weiter in Bewegung bleibt. An den Stellen, an denen der Autor intellektuell wirken will, ist es allerdings eher platt.
Guten Morgen
Seit ein paar Tagen sinniert Dave Winer über die Zukunft von Twitter und derzeit meint er, Twitter sei der Nachrichtenschauplatz unserer Zeit. Oder sowas in der Art. Ändert sich auch mal schnell bei ihm. Weil gerade der US-Wahlkampf stark auf Twitter grassiert. Nun ja. Ich komme gerade aus den USA und die Leute, die ich dort traf, hatten alle nichts mit Twitter am Hut. Aber in den Billignachrichten wurden Twitterschnipsel natürlich gerne verwertet. Nach der Zukunft sah das allerdings weniger aus.
In Brandenburg sind neue Akten zum V‑Mann Piatto aufgetaucht. Man hatte wohl die Namen nicht zuordnen können. Einmal mit Profis.
Dietwald Claus, der Bruder von Gerwald Claus-Brunner, erhellt dessen Lebensgeschichte.
Und während ich mir die Frage stelle: Interessiert niemanden ein gemeinsamer Standard für Sozialmediendienste? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
Proimas, James — 12 things to do before you crash and burn
Dieser Schmöker ist eigentlich ein Jugendbuch, aber wegen seines Witzes und der Kürze seiner Einzelepisoden durchaus auch für Erwachsene Broiler interessant: Hercs Vater ist gestorben. Un weil er auf der Beerdigung als einziger den Mumm hat, zu sagen, das sein Vater ein Arschloch war, wird Herc zur Strafe zu seinem Onkel geschickt, der ihm wie seinem Namensgeber für die Zeit seines Aufenthalts 12 Tag für Tag abzuarbeitende Aufgaben stellt:
- Such dir eine Aufgabe.
- Finde den besten Pizzaladen der Stadt.
- Räum die Garage auf.
- Miste die Ställe auf der Riverbend Farm aus.
- Setz dich unter einen Baum und lies ein kompettes Buch.
- Begib dich an einen Ort der Huldigung und des Gebets.
- Geh zu sieben Bewerbungsgesprächen.
- Verbring den Tag mit großen Gedanken, Schreib sie auf.
- Iss eine Mahlzeit mit einem Unebkannten.
- Mach etwas für mich.
- Trag auf der Mitternachtslyriklesung im Blake’s Coffee Shop ein Gedicht vor.
- Beende deine Aufgabe.
Die Geschichten behalten dank guter Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn den mitunter schroffen Stil des Originals und erheitern durch wiederholte Aushebelung der Erwartungen des Lesers. Der aufheiternde Schmöker bekommt von fünf möglichen Klorollen:
Lesezeichen vom 06.10.2016
- Gerd Buurmann liest Briefe an ihn | Tapfer im Nirgendwo … und zwar antisemitische Post. Damit zeigt er: Manche Menschen führt man auf’s Äußerste vor, wenn man einfach nur wiederholt, was sie sagen.
- Frank Bösch: “Politik ist oft männerbündisch”
- Nathan Schneider: Here’s my plan to save Twitter: let’s buy it
Lesezeichen vom 08.10.2016
- Donald-Trump-Video: Gerechte Strafe für die Republikaner Veit Medick: “Nein, liebe Republikaner. Dass dieser Mann eher auf die Couch als ins Weiße Haus gehört, das ist nicht erst seit Freitagnachmittag klar. Jetzt so zu tun als sei man schockiert, zu was Trump fähig ist — das ist nicht weniger schockierend, als die Aufnahmen selbst.”
Guten Morgen
Manchmal denkt man, es wäre gar nicht so viel los um einen herum, und dann merkt man, dass das auch damit zu tun haben könnte, dass man nicht genug informiert ist. Ich habe zwar in meinem Reader eine Düsseldorf-Rubrik, aber schreine ich die nur oberflächlich zu inspizieren – oder zum Herbst hin regt sich da was. Jedenfalls: Hier sind meine ersten Düsseldorfer Lesezeichen.
Hendrik beobachtet, wie man auf Stern.de mal schweigen wollte.
Lars fragt sich, wieso Amerikaner sich nicht einfach mal auf’s Rad schwingen, statt sich vom Auto abhängig zu machen.
Und während ich mir die Frage stelle: Ist die Betulichkeit und das Testimonialisieren von Zeitungsreakteuern noch was anderes als Einschleimen? hole ich mir erstmal noch einen Kaffee.
Lesezeichen vom 10.10.2016
- Hollywood stars accuse German magazine of publishing fake interviews
- Englischer Fußball — AFC Wimbledon erstmals vor Ex-Klub Vielleicht kriegt Lok Leipzig das auch mal hin.
Lesezeichen vom 11.10.2016
- WikiLeaks Reveals DNC Elevated Trump to Help Clinton “It was in the best interest of Clinton, and therefore the Democratic Party, that Trump was the Republican presidential nominee. Polls indicated Sen. Rubio, Gov. Kasich, or almost any other establishment Republican would likely beat Clinton in a general election. Even Cruz, who is reviled by most Republicans, would still maintain the ability to rally the Republican Party—especially its wealthy donors—around his candidacy. Clinton and Democrats expected the FBI investigation into her private email server would serve as a major obstacle to Clinton’s candidacy, and the public’s familiarity with her scandals and flip-flopping political record put her at a disadvantage against a newcomer. Donald Trump solved these problems.”
Lesezeichen vom 13.10.2016
- DNA von NSU-Terrorist Böhnhardt an Mordopfer Peggy gefunden Gruselig.
- Tesco takes Marmite off virtual shelves amid Brexit price hikes Den Briten geht es an’s Toast.
- Literaturnobelpreis für Bob Dylan “Auf die Frage, wie er die Entscheidung bewerte, sagte der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck: “Gelegentlich erlaubt sich die Akademie ein ‘Späßken’.” Und weiter: “Die Auszeichnung von Bob Dylan ist genauso ein Witz wie es die von Dario Fo war. Am besten, man lacht mit.””
- Germaine Greer: “Why do people think Bob Dylan was a great lyricist? That creep couldn’t even write doggerel ”
- Nachruf auf Caroline Luft (Geb. 1975): Tod im Freien “Caro saß vorm S‑Bahnhof Zehlendorf, las ein Buch nach dem anderen und wartete auf Geld fürs Heroin. Einen Monat saß sie im Gefängnis, danach lebte sie auf der Straße.”