Es gibt eine einzige Art, auf die Pauschalisierungen gerechtfertigt sind: Wenn man nur dadurch ein Problem greifbar machen kann. Andererseits sind sie polemisch, wenn sie nur dazu verwendet werden, um eine andere Position schlecht zu machen, gar, wenn es durchaus möglich wäre, eine Problematik anders dar zu stellen. In der Politik hat man es größtenteils mit letzterer Verwendung zu tun. Genau damit tun sich Politiker schwer.
Die Piratenpartei surft gerade auf einer Erfolgswelle, wie sie nur die Grünen kennen, wenn auch nicht gerade in diesem Ausmaß: Drittstärkste Partei in Umfragen zu sein, ohne im Bundestag zu sitzen, das ist neu. Dabei profilieren sich die Piraten mit einer unfairen Politikart: Sie schieben dauernd vor, auf bestimmten Gebiet keine Antworten geben zu können, seien darin aber ehrlicher als andere Parteien. Na, wie will man das denn wissen, wenn man selbst keine Ahnung hat? Und da die eigenen Ansichten es nicht sind, die den Parteierfolg erklären, da ernstzunehmende Politiker dieser Partei quasi nicht bekannt sind, bleibt die Erkenntnis: Da segelt jemand unter einer Flagge, die er nicht selbst gehisst hat.
Aber dennoch hat diese Art Erfolg. Aus einem geradezu zwingenden Umstand: Die sich selbst etabliert nennenden Parteien setzen gegen die Piratenpartei eben genau die Pauschalisierungen ein, gerade die inhaltliche Armut, die die Piratenpartei ihnen zusammen mit politischer Verkrustung vorwirft: Da wird der Slogan Politik ist kein Showbuisiness in der BUNTEN platziert. Da wird von Werten gesprochen, ohne sie zu nennen, da wird der Piratenpartei unterstellt, sie würde die Netzgemeinde verleiten, und wenn nicht die ganze, so zumindest ein Teil. Und da wird von FDP-Generalsekretär Döhring von einem Paradoxon gesprochen:
Ich finde es außerdem paradox, wenn eine Partei als Kernbotschaft mehr Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen durchsetzen will, alle Ausschuss- und Fraktionssitzungen öffentlich übertragen möchte, gleichzeitig aber so besonderen Wert auf die Anonymität und anonyme Debattenbeiträge legt.
Das ist ein Widerspruch, den man hinterfragen muss – ohne jetzt gleich wieder nach neuen Gesetzen zu verlangen.
Nein, das ist kein Widerspruch, den man hinterfragen muss, denn hier besteht schlicht keiner. Das ist eine politische Rheotrik, die man hinterfragen sollte. Natürlich kann man Transparenz bei gewählten Volksvertretern fordern und zeitgleich den Schutz von Äußerungen, sofern private Nachteile für den Äußernden zu vermuten sind. Paradox wäre es, wenn man einem gewählten Politiker verbieten wolle, sich anonym im Internet zu bewegen, denn dann würde man abstreiten, dass Menschen in einer Gesellschaft unterschiedliche Rollen haben. Aber das fordert ja niemand.
So lange die etablierten Parteien sich allerdings auf diese Art ins Knie schießen, indem sie ihre Art von Parteiendemokratie als maßgebend betrachten, sichern sie den Piraten deren wesentlichste Grundlage.
7 Kommentare
Ich habe den Eindruck, dass die Piraten Politik nicht so sehen, dass die Parteien den Bürgern jeweils Listen mit Lösungen für unsere Probleme vorlegen und dann dafür Stimmen bekommen.
Politik ist vielmehr ein Prozess, in dem man gemeinsam versucht, Lösungen zu finden — und dieser Prozess muss opitimiert werden.
Oder anders ausgedrückt: Wenn die Piratenpartei (angeblich) wirklich keine Lösungen anbieten kann — wo sind denn dann die bestechenden Lösungen der anderen Parteien zu den Themen und Problemen unserer Zeit?
[Disclaimer: Bin selbst Mitglied in der Piratenpartei]
Das mit den Listen denkt, glaube ich, eh kaum jemand. Das andere ist der permanente “Wir Piraten und die anderen” — Gegensatz, der nicht aufgeht. Die Piraten sind nicht deswegen eine politische Alternative, weil es anderswo festgefahrene Strukturen gibt, sondern nur, wenn man politisch umsetzbare Vorschläge unterbreitet.
Die Piraten wollen eine Plattform bieten, damit Vorschläge unterbreitet werden können.
Etwa so?
Auch wenn es sehr überspitzt ist, ja.
Ich ziehe diesen Satz vor:
“Wir haben kein Programm anzubieten, sondern ein Betriebssystem.”
(Marina Weisband)
Der bisherige Parteienstaat hat sich überlebt. Die Parteien sind zu reinen Geld- und Machtverteilstationen geworden. Die Piraten haben das Potenzial, diese Strukturen aufzubrechen.
Vielleicht kommt es aber auch zu einer “Gegenreformation”, die das System reinigt. Erste Anzeichen dafür sind ja bereits zu erkennen (mehr Bürgerbeteiligung, Forderungen für mehr Basisdemokratie innerhalb der Parteien, Transparenz usw.).
Parteienstaat? Wassn das? Fräulein Weisband ertrinkt leider dauernd in ihren Metaphern statt sich klar zu äußern. Allenthalben wird der Demokratiebegriff der Piraten kritisiert — ohne dass es dort aufgenommen wird.
Die Macht in unserem Staat wird über die Parteien verteilt. Über die Parteien — und nicht nur durch Wahlen — soll der Wille des Volkes artikuliert werden (“Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.”).
Leider funktioniert das nicht mehr. Deswegen wollen die Piraten mehr Basisdemokratie in die Politik bringen. Es geht m.E. nach nicht darum, den Parteienstaat vollkommen abzuschaffen, sondern ihn etwas aufzubohren — was bisher durchaus funktioniert. Zumindest muckt die Basis in den anderen Parteien mehr und mehr auf.