Die Verdrossenheit von Etablierte-Parteien-Wählern

Ich habe mich schon länger gefragt, was eigentlich das Gegen­stück zur Poli­tik­erver­drossen­heit ist. Die gerne so her­auf­beschworene Poli­tikver­drossen­heit ist ja vielmehr eine Ver­drossen­heit des aktuellen Poli­tikge­barens. Und so wie die Poli­tikneulinge der Piraten­partei Erfolge feiern, so muss es auch Ver­lier­er geben. Frei­heitlich-demokratis­che Ver­lier­er. Der Chefredak­teur der West­fälis­chen Nachricht­en, Nor­bert Tie­mann, sieht den­noch die Wichtigkeit der FDP für das von ihm so genan­nte bürg­er­liche Lager, denn die Pirat­en kön­nten diese Lücke nicht füllen:

Die aktuellen und ach so frisch anders daherk­om­menden Senkrecht­starter, die Pirat­en, lassen sich dort jeden­falls nicht verorten. Sie mögen wie der Phönix aus der Asche der Parteiver­drossen­heit auf­steigen — Lösun­gen für die Prob­leme des Lan­des liefert die bunt gemis­chte Spon­ti-Truppe nicht. Protest statt Pro­gramm. Ander­s­sein statt Antworten. Proklamiert wird eine Frei­heit, die moralisch-ethis­che Grundw­erte nicht ken­nt, die die sex­uelle Selb­st­bes­tim­mung des Men­schen über das Inzestver­bot stellen und den Kon­sum ille­galer Dro­gen kom­plett freigeben will.

Gut, ich lese da jet­zt schon aus Tie­manns eige­nen Worten eine gewisse Pro­gram­matik der Pirat­en her­aus — soviel mal zum fehlen­den Pro­gramm. Und es stellt sich ja die Frage, ob die SPD nicht inzwis­chen die Rolle der FDP mehr und mehr ein­nimmt. Aber bei Tie­mann geht halt alles durcheinan­der: The­sen ein­er Arbeits­gruppe eines ganz anderen Lan­desver­ban­des, der den Inzest­para­graphen über­ar­beit­et haben möchte, ebeno wie die ange­bliche Forderung, dass die Piraten­partei bish­er ille­gale Dro­gen kom­plett frei geben will — auch nicht ganz richtig.

Nein, nein, dass Feind­bild Tie­manns ist die Nichtetablierte Partei. Alles soll bitte wie beim Alten bleiben: Die FDP soll bitteschön die Partei sein, die alles, was sie gut find­et, frei nen­nt — egal ob sie über­haupt noch über genü­gend Rück­halt und Per­son­al ver­fügt. Nicht irgendwelche Polit­neulinge, die sich den verkrusteten Struk­turen ander­er Parteien nicht anschließen mögen.

Intere­san­ter­weise meint Tie­mann, dass für mehr inter­esse an Poli­tik die inner­parteiliche Intrans­parenz aufge­hoben wer­den müsste — also genau das, was die Piraten­partei macht.

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