Vor Monaten machte im Internet die Nachricht die Runde, es gäbe eine deutsche Wired. Und viele freuten sich darüber. Ich kannte die Wired zuvor schlecht nicht, ich kenne sie auch heute nicht. Denn das Tamtam im Vorfeld und der fehlende Nachweis, dass im Heft ein wirklich lesenswerter Artikel steht, der nicht inzwischen anderswo online steht, halten mich bis heute davon ab, gezielt in einen Zeitschriftenladen zu gehen, und danach Ausschau zu halten. Kann man nun dennoch irgendwie zu diesem Thema schreiben? Natürlich. 1. Man kann etwas wie die Intouch kritisieren, ohne sie bis ins Detail studiert zu haben; Zeitschriften erreichen meist nicht ein solch hohes Niveau, dass dies unmöglich wäre. 2. Man darf ein Medium kritisieren, auch wenn man selbst nicht weiß, wie man ein solches Medium erfolgreich führt. 3. Man kann etwas kritisieren, auch wenn irgendwelche Grobklötze von dumpfer deutscher Standardkritik sprechen, sofern man bei einer Sache bleibt.
Also ran ans Wired-Tamtam, denn das für sich ist ja halbwegs interessant. Zunächst wurde ein Hype um das Heft angeregt: Der Name Wired allein soll für Interesse sorgen. Unabhängig vom Inhalt. Da Thomas Knüwer sich verantwortlich zeigte für das Heft, war klar, dass es eine runde Sache wird, wenn auch keine intellektuelle. Eben ein Lifestyle-Magazin (deswegen passt es ja gut zur GQ): In Deutschland sind die Geeks, also die Elektronikdaddeldingfanatiker, keine Intellektuellen, sondern Spielkinder und als solche keine homogene Gruppe. Ihr goldenes Kalb muss ein Massenobjekt sein, muss Massengeschmack sein, muss Lifestlye sein, durch Intellektualität angeregt, aber nicht erhalten. Hier zeichnen sich die ersten zwei Probleme ab: 1. Spielkinder lesen wenig Gedrucktes; 2. Kritiker hauen darauf ein, dass die Intellektualität fehlt. Letzteres wurde durch Michael Seemann (dessen Texte seltsamerweise besser zu verstehen sind, wenn er kritisiert) und Christoph Kappes (der auch Namedroppinglinie als Marketingstrategie kritisiert und diverse Sachfehler herausarbeitet). Dies zeigt: Die Dinge, auf die draufgehauen wird, waren schon vor Veröffentlichung des Heftes absehbar.
Dass Thomas Knüwer mit den deutschen Geeks erst eine Zielgruppe erfinden muss, ist der große Schwachpunkt des Heftes. Er greift auf altbekannte und ebenso für viele weiter unbekannte Schreiber zurück, die Lifestyle in Texte packen, aber eben keine Geistesblitze: Anke Gröners Text ist wunderbar geschrieben, aber was soll er in einer Zeitung? In der Zeitung sind eben nur bezahlte Schreiber, keine Geeks, deren Text in erster Linie ihr eigenes, thematisches Anliegen verfolgt, die den Leser mit ihrem Gedanken fangen wollen. Das aber war vermutlich die Ausgangslage der amerikanischen Wired, allein schon aus dem Grunde, weil alle neueren Technologietrends ihren Ursprung darin namen, dass sie einen intellektuellen Reiz darstellten: das Internet, Chats, Twitter, Facebook. Aber ohne diesen Reiz verkommt ein solches System, siehe StudiVZ, AOL, Yahoo. Eine Wiederbelebung scheint da ganz unmöglich.
Die deutsche Wired ist ein gedrucktes Hyperland, nur kommerziell und mit Markennamen. Und es muss sich schon kurz nach seiner Geburt neu erfinden, wenn es überzeugen soll. Warten wir’s ab.
Was ich noch sagen wollte… zur deutschen Wired
[ Foto: http://www.flickr.com/photos/teller/ / CC BY-NC-SA 2.0 ]
2 Kommentare
Eine Kritik, ohne das Ding gelesen zu haben? Auf welchem Niveau bist Du denn gelandet? Deshalb kapierst du auch nicht, worum sich die Geschichten drehen und warum die Gröner-Geschichte sher gut zu Wired passt. Übrigens ist das Heft richtig gute Unterhaltung. Aber dafürmüsste mann es lesen. Und das wäre halt too much information für so ein kleingeistiges Hirn.
Gut, ganz stimmt das ja nicht mit dem Nichtgelesenhaben, denn diverse Texte sind ja inzwischen online zu lesen. Und oben meine ich eben, dass das Gelesenhaben eines Textes nicht gleichbedeutend mit dem Erfassen eines Textes ist, wie du in deinem Kommentar ja ebenso beweist, denn ich schreibe ja nicht, dass Gröners Text nicht in die Wired passt, ich frage nur, welche Funktion er in der Zeitschrift haben soll. Ich würde auch nicht in Zweifel ziehen, dass das Heft gute Unterhaltung ist, unterm Strich ist es genau das, aber eben nicht mehr. Wenn nun Kritiker genau da drauf hauen, und das geschieht ja mit der Forderung bspw. von Kappes, es müsse mehr Geisteswissenschaft ins Heft, dann geht das möglicherweise an der Ausrichtung des Formats oder der Leistungsfähigkeit des Formats vorbei. Ich läge nur dann falsch, wenn die Wired über die bloße Fleischbeschau hinaus ginge. Von einem derartigen Impuls hat aber noch niemand geschrieben. Im Gegenteil.