Das ist schon ein starkes Stück, dass sich die Uni Bonn da heute leistet. Bei aller Hähme, die ihn gerade trifft und bei aller berechtigten Kritik am Gehalt seiner Arbeit: Jorgo Chatzimarkakis hatte angegeben, dass er alle verwendeten Quellen in seiner Doktorarbei anführt, dass aber nicht ausreichend Anführungszeichen gemacht worden seien.
Die Universität hat diese Darlegung bestätigt, entzieht ihm aber dennoch den Doktorgrad.
Damit vertuscht man den Fehler der Prüfer der Doktorarbeit, denen alles zu Grunde lag, was zur Bewertung der Arbeit nötig war. Kannten die etwa die von Chatzimarkakis verwendete Literatur gar nicht? Wieso haben die in keinem einzigen Fall entdeckt, dass die Anführungszeichen zu wenig kennzeichnen?
Ich halte es für äußerst zweifelhaft, dass eine derartige Begründung, die passender Weise Wissenschaftliches Fehlverhalten übertitelt ist, zur Aberkennung eines Doktorgrades ausreicht.
14 Kommentare
Abgesehen von der grundlegenden Missachtung der Kennzeichnungspflicht, die SELBSTVERSTÄNDLICH und an jeder Uni bei Kenntnis zum Nichtbestehen oder eben ggf. zum nachträglichen Aberkennen des Doktorgrades geführt hätte, verweist die Uni Bonn völlig zurecht auf ein weiteres KO-Kriterium:
Über 50 % des Textes der Arbeit sind wörtlich anderen Arbeiten entnommen. Das allein reicht, um jeden Zweifel auszuschließen, dass es sich um keine Leistung handelt, die eine Promotion rechtfertigen könnte.
Weder das Ausmaß dieser Zitate noch die unzureichende Kennzeichnung der direkten Zitate waren zum Zeitpunkt der Prüfung bekannt. M. E. ist hier schon auch den Prüfern vorzuwerfen, dass sie nicht stichprobenartig die Zitatstellen der Arbeit überprüft haben. Die gesamte verwendete Literatur aus dem Kopf so gut zu kennen, dass man wörtliche Zitate wiederentdeckt, ist völlig unrealistisch. Stichproben wären schon sinnvoll, werden allerdings wohl in der Praxis eher selten durchgeführt, aufgrund des Zeitaufwands, weil man dem Prüfling zunächst mal vertraut etc. Entscheidend ist aber: Das alles ist für den Sachverhalt an sich doch völlig unerheblich. Wenn ein Prüfer zunächst einen Täuschungsversuch übersieht, wird der dadurch ja nicht ungeschehen. Ansonsten würde es ja reichen, einmal geschickt zu betrügen, und dann könnte man nie mehr dafür belangt werden.
Herr Chatzimarkakis hat eine Arbeit abgegeben, die inhaltlich nicht eigenständig genug und handwerklich nicht sauber genug war. (Zur Frage des Vorsatzes will ich hier mal nichts sagen, das ist auch für die Bewertung der Arbeit an sich unerheblich.) Das war zum Zeitpunkt der Verleihung des Doktorgrades offensichtlich beides nicht bekannt. Auch wenn Herr Chatzimarkakis etwas anderes behauptet — die Entscheidung der Universität heute stellt ausdrücklich das Gegenteil fest. Dies erscheint mir auch nur logisch. Hätten die Prüfer den Umfang der Zitate oder die Art der Zitation wirklich, wie von Chatzimarkakis behauptet, gekannt und mit verschlechterter Note “durchgewunken”, wäre das ein Skandal. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die von Chatzimakarkis erwähnten “Methodenfehler” sich auf sein inhaltliches Vorgehen bezogen, während die jetzt verhandelten Sachverhalte damals unbekannt waren, Chatzimarkakis also somit den mehrdeutigen Begriff “Methodenfehler” bewusst als Nebelkerze verwendet, damit der Eindruck entsteht, die Prüfer hätte seine “Oxford-Zitierweise” toleriert.
Jede andere Entscheidung als eine Aberkennung des Doktorgrades wäre ein handfester Skandal gewesen, und es ist ein Witz, wenn Chatzimarkakis nun behauptet, sein Fall sei ein “Grenzfall” gewesen. Er war, so die Formulierung des Dekans der Philophischen Fakultät, ein “Sonderfall” (weil bei den anderen Fällen plagiiert wurde ohne jegliche Quellenangabe), aber die Art der Verstöße und der geringe Anteil an Eigenleistung lassen überhaupt keinen Zweifel zu, dass es hier keine andere mögliche Entscheidung geben konnte.
Wie oben schon gesagt: Den Prüfern lag eigentlich alles vor, was nun kritisiert wird. Damals wurde ja angeblich auch schon irgendwas kritisiert. Ob man die Schlampigkeit einer Korrektur dem Korrigierten anlasten darf, wage ich zu bezweifeln.
Sorry, aber normalerweise lernt man im ersten Semester an der Uni, wie man zitiert.
Wer das nicht beherrscht, hat nichtmal die Grundlagen von dem kapiert, was Wissenschaft ist.
Dafür wäre der Doktor dann unverdient.
Das würde ich nicht anders sehen, aber darum geht es nicht. Es geht um die Begründung der Aberkennung, die rechtlichen Standards gemäß sein muss.
@Carsten: also Du meinst wirklich, dass die Prüfer die kompletten Zitate hätten erkennen müssen?
Kennst Du denn jeden Satz aus allen Folgen aller Staffeln Deiner Lieblingsfernsehserie auswendig? Kannst Du Dich an jeden einzelnen Frame des letzen Films erinnern, den Du gesehen hast?
Nein. Deshalb kann auch der Bewertende einer Doktorarbeit nicht immer erkennen, wenn ein Zitat nicht als Zitat gekennzeichnet wird.
Und die Kriterien waren klar gekennzeichnet und bekannt.
Da gibt es einfach keine Diskussionsbedarf. Entweder entspricht die Arbeit den Vorgaben oder nicht.
Wann das bemerkt wird, insbesondere da der Autor hier auch unehrlich war — und die Zitate eben NICHT gekennzeichnet hat — sollte für das Ergebnis irrelevant sein.
Im Gegensatz zu Straftater verjähren Leistungen — und eben auch Mangelleistungen — nicht…
Ich habe nicht gesagt, dass die gesamten Stellen erkannt hätten werden müssen. Aber wenn diese mehr als 70% der Seiten ausmachen, müssen sich die Prüfer schon fragen lassen, wieso sie das nicht erkannt haben, und wie intensiv sie mit der Literatur vertraut waren, über die sie da ge prüft haben. Ich denke in der Tat, dass eine rechtliche Auseinandersetzung, die Chatzimarkakis ja prüfen lassen will, Erfolgchancen hat, weil ein Bezug lediglich auf nichtgessetzte Anführungszeichen äußerst dünn ist.
Noch einmal: Es wird sich ja nicht einmal nur auf fehlende Anführungszeichen berufen — die selbstverständlich allein schon ausreichend wären, wenn sie in diesem Ausmaß und mit diesen Auswirkungen als Problem auftreten.
Es wird vielmehr ausdrücklich auch gesagt, dass die Arbeit so viel zitierten Text erhält — der durch die Art der Zitation nicht als solcher erkennbar ist (und hier kann nun wirklich keiner von den Prüfern erwarten, alle Stellen entsprechend zu prüfen) -, dass sie auch bei richtiger Zitation nicht ausreichend gewesen wäre.
Das Ausmaß, in dem Chatzimarkakis sich anderweitig bedient hat, war seinerzeit nicht bekannt, gerade wegen seiner verschleiernden “Oxford-Zitierweise”. Ansonsten hätte er den Doktor erst gar nie bekommen. Nun ist es aber bekannt, und deshalb verliert er wegen beidem, Zitierweise und zu geringer Eigenleistung, konsequenterweise den Doktorgrad. Ich sehe das Problem nicht.
Wie gesagt: Den Prüfern lag alles vor. Das mit der Quantität an Zitaten, die eine Arbeit nicht übersteigen darf, finde ich auch nicht sonderlich überzeugend. Das steht in der Promotionsordnung sicher nicht drin.
Jetzt mal ehrlich: Den Prüfern lag ein seitenlanges Literaturverzeichnis vor, das inhaltlich ihren Zuständigkeitsbereich zudem sicher nur in Teilen berührt hat. Erwartest Du ernsthaft, dass die Prüfer mehrere hundert Monographien und Aufsätze entweder so gut auswendig kennen, dass sie einzelne wörtlich übernommene Formulierungen aus dem Kopf wiedererkennen oder ALLE angegebenen Zitatstellen überprüfen?
Dass im Übrigen eine Arbeit mit über 50 % Fremdtextanteil — noch dazu größtenteils Zitate, für deren Verwendung es keine plausible Begründung außer der Vermeidung eigenen Formulierens oder Denkens gibt und die von der Länge her jedes wissenschaftlich akzeptable Maß überschreiten — nicht mehr als überwiegend eigenständige Leistung zu bewerten sein dürfte, scheint mir doch nun wirklich ziemlich eindeutig. Und dass schließlich die Dissertation eine eigenständig zu erbringende Leistung ist, steht ganz sicher in einer Promotionsordnung, auch in der der Uni Bonn. Das Gericht möchte ich sehen, das bei der bei Chatzimarkakis vorliegenden Menge und Qualität von Zitaten zu dem Urteil kommt, die Arbeit sei hinreichend eigenständig, um eine Promotion zu rechtfertigen. Never. Ever.
Ich finde es aber auch schon relativ abenteuerlich, wie Du hier aus der sicher nicht optimalen Prüfungsleistung der Betreuer nun einen Grund konstruierst, warum Herrn Chatzimarkakis heute Unrecht angeblich geschieht, wenn er anhand der bestenden wissenschaftlichen Regeln bewertet einen Doktorgrad verliert, den er eigentlich nie überhaupt hätte verliehen bekommen dürfen. Eine mögliche Nachlässigkeit der Prüfer schließt doch eine spätere Überprüfung nicht aus.
Ich konstruiere ja gar nichts: Wie gesagt: Den Prüfern lag alles vor und die Argumentation, ihnen fehlen nun Anführungszeichen ist rechtlich höchst problematisch, wenn es als Grund für die Aberkennung einer Promotion vor Gericht verhandelt wird. Daran ist nichts abenteuerlich. Wir werden es wohl noch sehen ;-).
Ich verstehe immer noch nicht, was Du genau mit “Den Prüfern lag alles vor.” meinst, und was sie Deines Erachtens hätten tun sollen. Wir reden hier von zehntausenden Seiten Literatur. Die im Übrigen nicht schon physisch vorlagen, sondern auch erst einmal aus diversesten Bibliotheken hätten zusammengetragen werden müssen.
Eine Stichprobe hätte man schon machen sollen, das sehe ich ja genau so. Wobei: Wer sagt uns, dass sie nicht sogar gemacht wurde? Es waren ja nicht alle Zitate falsch ausgewiesen, vielleicht fand sich in einer etwaigen Stichprobe kein falsches Zitat? (Unwahrscheinlich, aber wahrscheinlicher als alles, was Chatzimarkakis von sich gegeben hat.) Aber alles überprüfen? Oder alles auswendig kennen? Das ist nicht mal menschenmöglich. An dieser Literatur arbeitet ein Doktorand über Jahre. Der Prüfer hat dafür ein paar Monate und ganz nebenbei auch noch einen Lehrstuhl zu leiten, Bachelor- und Masterarbeiten (eventuell auch weitere Doktoranden) zu betreuen und prüfen etc. pp.
Davon ab glaube ich aber auch gar nicht, dass Chatzimarkakis mehr als einen (aussichtslosen) Einspruch wagen wird (wenn überhaupt). Im Falle einer Klage müsste er der Uni nachweisen, dass sie die Mängel hätte erkennen MÜSSEN, was sehr schwierig werden dürfte, und im Gegenzug setzt er sich der Gefahr aus, dass die Frage des Vorsatzes genauer geprüft wird. Das könnte dann ein sehr unschönes Ende für ihn nehmen, zumal er mit der Frage sein politisches Schicksal verkoppelt hat. Der Fall ist zwar nicht so eindeutig wie bei Guttenberg, aber die Argumente und Indizien, die für Vorsatz sprechen, sind schon ziemlich stichhaltig. (Einzige alternative Erklärung wäre, dass er das alles wirklich und wahrhaftig glaubt, was er da sagt, was dann zwar juristisch vorteilhaft für ihn sein könnte, einem aber wirklich den Angstschweiß auf die Stirn treiben müsste, was den Wirklichkeitsbezug unserer Volksvertreter betrifft.)
Na ja. Aber nun will ich’s auch erst mal dabei belassen. Schönen Abend noch. 🙂
Nee, das ist falsch: Die Uni muss darlegen, dass ihre Gründe zur Aberkennung stichhaltig sind. Und das sehe ich kritisch.
Das stimmt so nicht. Es handelt sich um die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts. Das kann die ausstellende Behörde erst mal tun, wie sie lustig ist.
Chatzimarkakis müsste nachweisen, dass die Uni seit mehr als einem Jahr wusste, dass die Bedingungen für den Erlass des Verwaltungsaktes nicht vorlagen, sprich, seine Dissertation die Anforderungen nicht erfüllte. Wiese die Uni ihm dann aber wiederum Vorsatz nach, wäre der Titel wieder weg und ihm bliebe auch politisch nur noch der Rücktritt.
Das wird ziemlich sicher nicht passieren.
Nee, eine derartige Rücknahme muss auch vor Gericht der Überprüfung der Gründe der Rücknahme standhalten. Das ist dasselbe wie Koch-Mehrin wohl versuchen wird. Chatzimarkakis hätte meines Erachtens da aber bessere Chancen.