Vielleicht ist das ja die süße Rache des CSU-Chefs: Da wird ihm von den Medien sein Nachfolger von der Politikbühne wegrecherchiert und ist sein Hobbykeller mit ausschlaggebend dafür, dass einem SPIEGEL-Mitarbeiter ein Journalismuspreis aberkannt wird, weil dieser seinen als Reportage eingereichten Text etwas verschönert hat.
Beim Spiegel ist man brüskiert:
René Pfister hat in den ersten vier Absätzen seiner vier Seiten umfassenden Geschichte über Horst Seehofer das Hobby des CSU-Vorsitzenden geschildert, der in seinem Keller eine Märklin-Eisenbahn stehen hat. Die Informationen für den Einstieg beruhten auf Gesprächen mit Seehofer, dessen Mitarbeitern sowie SPIEGEL-Kollegen, die den Hobbykeller selbst in Augenschein genommen haben. An keiner Stelle hat der Autor behauptet, selbst in dem Keller gewesen zu sein.
Das ist ja auch nicht unbedingt Kern des Anstoßes. Kern des Anstoßes ist die Interpretation des Begriffes Reportage. Und wenn man das darunter versteht, was man in der Wikipedia festhält, nämlich
Als Reportage (von lat. reportare = berichten, melden) bezeichnet man im Journalismus unterschiedliche Darstellungsformen, bei denen der Autor nicht vom Schreibtisch aus, sondern aus unmittelbarer Anschauung berichtet.
dann ist Pfisters Text eher ein Mix aus Kolpor- und Reportage, als eine lupenreine Reportage. Aber es finden sich weitere Textstellen, die fraglich machen, wieso die Jury diesen Text überhaupt als Reportage angesehen hat.
Dabei ist Pfisters Text, wenn man von der Hobbykeller-Geschichte mal absieht, wirklich gut, und die Hobbykeller-Geschichte wird es nicht gewesen sein, die die Jury des Egon-Erwin-Kisch-Preises zu ihrer Entscheidung veranlasst hat. Darin liegt eben die Tragik der Geschichte: Dass Pfister gedacht hat, man müsse die an sich gute Geschichte mit der Hobbykeller-Geschichte anheizen.