Aus konservativen Kreisen kam nach dem Rücktritt Guttenbergs wiederholt die Aufforderung das Thema Guttenberg nun gut sein zu lassen. Aber genau das ist Teil der Anti-Aufklärung, die die Union weiterhin betreibt: Die polemische Abkanzlung kritischer Analysen.
Andreas Fischer-Lescano, der den Guttenberg-Skandal ins Rollen brachte, hat eben diese Anti-Aufklärung im Sinn, wenn er in Anlehnung an Luhmann eine eigene Kausalität im Süden konstatiert:
Der Verteidigungsminister gibt die Linie der Argumentation vor, die Bayreuther Kommission spinnt sie dankbar weiter. Die Wissenschaftsinstitution befreit den Politiker von einer lästigen Diskussion; der Politiker beendet eine für die Universität reputationsschädliche Diskussion.
Nach Luhmann macht genau das die „Kausalität im Süden“ aus: Errungenschaften des Rechtsstaats und der funktionalen Ausdifferenzierung werden kurzgeschlossen. Das Recht wird kreativ angepasst. Man könne, so Luhmann, gerade im Süden beobachten, dass die Gewohnheit, „in Netzwerken der Hilfe, der Förderung und der erwartbaren Dankbarkeit zu denken, erhalten geblieben, aber von der gesellschaftlichen Stratifikation auf die Organisationen übertragen worden ist“. Die „ansprechbaren“ Ressourcen würden aus den Kompetenzen „abgezweigt“, die Positionen in Organisationen zur Verfügung stellten. Oft genüge das Prestige einer Position, um sich für etwas einzusetzen, was mit den Aufgaben des Amtes nichts zu tun hat.
Ich bin kein so großer Luhmann-Fan, daher halte ich es lieber mit dem Begriff der Anti-Aufklärung als eine gegen die Aufklärung gerichtete Denkweise.
Im Guttenberg-Skandal ist es Guttenberg selbst, der diese Anti-Aufklärung betreibt. Guttenbergs rhetorischer Trick ist immer derselbe: Er nimmt eine berechtigte Sachkritik und sagt dann, er habe darauf angemessen und durchdacht reagiert. Das ist so wie bei einem Fußballer, der nur eine einzige Dribblingsart beherrscht. Aber das reicht in der Union, denn dribbeln kann da kein anderer. Wer jetzt in Frage stellt, dass das angemessen oder durchdacht ist, was Guttenberg von sich gibt, gerät in die Gefahr, als übertreibender Nörgler da zu stehen. Diesen Vorteil erredet sich Guttenberg.
Guttenberg hat so beim sogenannten Krisenmanagement der Plagiatsaffäre schon in Kelkheim am 21.02.2011 stark die Presse angegriffen. Das geschah durch Ausspielen der angesprochenen Zuhörer als Öffentlichkeit und den Medien als Hauptstattpresse. Durch diese Gegenüberstellung sagt er, dass die Medien gar nicht zur Öffentlichkeit gehören.
Auf der Spitze dieser Darstellung sagt Guttenberg, dass die Zuhörer besser ihm direkt lauschen, als das lesen, was Medien wie die FAZ über ihn schreiben. Grotesk wird die Aussage gerade dadurch, dass Guttenberg die Einleitung seiner Doktorarbeit vollständig aus der FAZ kopiert hat. Der nackte Kaiser merkt auf dem Höhepunkt seiner öffentlichen Bejubelung nicht, was für eine Witzfigur er eigentlich abgibt.
Aber auch andere Politiker in der Union basteln fleißig an der Anti-Aufklärung:
Kristina Schröder hat in ihrer zu Recht kaum beachteten Doktorarbeit den interessanten Unterschied zwischen CDUlern auf Bundesebene und CDUlern an der Basis gemacht. Sie wollte wissenschaftlich herausfinden, wie man derartige Unterschiede methodisch analysieren kann. Völlig ignoriert hat Köhler dabei die Möglichkeit, dass CDU-Politiker auf Bundesebene eben gar nicht nach wissenschaftlich erfassbaren Kriterien arbeiten, sondern ledliglich machtorientiert. Aber es ist schon interessant, dass jemand von der Bundesebene dieses mögliche Missverhältnis wissenschaftlich adeln möchte.
Schließlich der CSU-Bundesministernachfolger von Guttenberg, Hans-Peter Friedrich. Dieser hat zu Amtsbeginn den kaum verständlichen Satz formuliert:
Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.
Unterm Strich hat Friedrich etwas gesagt, was er nicht sagen wollte, nämlich: Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache. Historische Belege fehlen, aber es ist eine Tatsache.
Er wollte wohl eher sagen, dass es eine Behauptung ist, der historische Belege fehlen. Leider fehlen die aber gar nicht. Aber es geht ihm ja auch nicht um Aufklärung. Friedrich bedient lediglich nationalistische Gefühle: Dazugehören und integrieren, d.h. alte Sitten ausradieren, wenn sie nicht deutsch sind, weil sie nicht deutsch sind, egal wie gut begründet sie sein mögen. Wohl gemerkt: Für die Union heißt integrieren nicht partizipieren.
Teile von CDU und CSU sind also auf der Suche nach der eigenen konservativen Identität im Nationalismus gelandet. Von hier aus herzlichen Glückwunsch.