Es ist ein verdammt hoher Preis, den die CDU für Guttenberg zu zahlen bereit ist. Sie verabschiedet sich von ihrem Bildungsideal und dem Begriff der Integrität. Der Verstoß gegen einen der elementarsten Bildungsgrundsätze, das Ausgeben fremden geistigen Eigentums als das eigene, stellt für die CDU keinen Grund für politische Konsequenzen dar, wiewohl doch das eine wie das andere politisch ist.
Um diesen Preis für den Erhalt Guttenbergs im Amt zahlen zu können, wirft die CDU gleich einen weiteren Begriff mit über Bord: Den Begriff der Integrität. Mit diesem Begriff hat vor einem Jahr, als der vorletzte CDU-Bundestagstagsabgeordnete seinen Doktorgrad ablegen musste, der zuständige CDU-Kreisverband begründet, weswegen man nicht fordere, dass der Abgeordnete sein Mandat abgibt. Man sei von seiner Integrität überzeugt, das heisst, man sei überzeugt, dass er nicht lüge, dass es eine Einheit gibt von Politiker und Promovent, die sich nicht widerspricht.
Die CDU hebelt nun diese Einheit aus, indem man unterscheidet zwischen Guttenberg, dem Verteidigungsminister, und Guttenberg, dem Promoventen: Verfehlungen des Promoventen Guttenberg haben nichts zu tun mit dem Verteidigungsminister. Diese neue Unterscheidung sagt ja nichts anderes aus, als: Selbst wenn es einen Widerspruch gibt zwischen dem, wofür Guttenberg als Promovent steht, und dem, wofür Guttenberg als Wirtschaftsminister stehen soll, so ist dieser Widerspruch für die Arbeit des Wirtschaftsministers irrelevant.
Das neue Lex Guttenberg lässt sich daher auch so formulieren: Verfehlungen eines Abgeordneten werden dann ignoriert, wenn dessen Popularität der Partei nützt und ein Verzicht auf diese Popularität der Partei schadet. Es ist ja vorrangig diese Popularität, mit der CDU und CSU Guttenberg verteidigen. Es steht niemand auf und verteidigt das Vorgehen des Promoventen Guttenbergs. So wenig, wie es bisher irgendeinem konservativen Politiker eingefallen wäre, einem SPD-Politiker eine derartige Dissertationsposse durchgehen zu lassen.
Die Abschied der Union vom Bildungsideal und dem Begriff der Integrität führt dazu, dass sie keine Glaubwürdigkeit mehr besitzt, wenn sie Politikern anderer Parteien mangelnde Integrität oder Titelbetrug vorwerfen wollen. Außer natürlich, wenn man Vernunft und Logik ebenso über Bord wirft.
Dass Guttenberg selbst diese Zweiteilung nicht verinnerlicht haben kann, zeigt ja schon, dass er seine Stellungnahme an die Universität Bayreuth auf dem Briefpapier des Verteidigungsministeriums verfasst hat. Aber keine Sorge, auch das war sicherlich nur ein Fehler. Und es gibt wichtigere Themen, mit denen man sich beschäftigen sollte. Wen interessiert schon Integrität, das Pfand der Politiker?
Was ich noch sagen wollte… zum Lex Guttenberg
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