Guttenberg ist back — mit einer Wundertüte neuer Wirklichkeitsdarstellungen, die Ehrlichkeit vortäuschen wollen, wie wunderbar. Es hilft nichts, man muss seine Bemerkungen rhetorisch auseinandernehmen, denn bei Guttenberg bekommt man nur hinreichend wahre Einräumungen, nicht die ganze Wahrheit.
Nur in seiner eigenen Welt hat er am vergangenen Freitag in seiner Rede alles richtig gemacht: Sich entschuldigt, Fehler eingeräumt und auf den Doktorgrad verzichtet. Der Unterton, dass er den abgelegten Doktorgrad sofort nach der Prüfung durch die Universität wieder annehmen werde, nein, daran erinnert er sich am Montag nicht mehr.
Stattdessen hat er sich selbst seine eigene Arbeit noch einmal angesehen — oder besser: verfolgt, wie weit man seiner Patchworkfibel auf die Schliche kam. Einfach soweit, dass man diese Doktorarbeit nicht mehr verteidigen kann. Nur das ist es, was den heutigen Auftritt erklärt. Ohne Guttenplag hätte man heute andere Sätze vernommen.
Aber Guttenberg entblödet sich nicht, auch im Eingestehen seines Plagiats, bei dem ihm durch die große Anzahl der einbezogenen Texte entgang, dass quasi nichts von ihm selbst stammte, den Helden zu markieren:
Es geht darum, den Schaden für die Universität, den Doktorvater und den Zweitkorrektor zu begrenzen. Deshalb war meine Entscheidung richtig, den Doktortitel nicht zu führen, auch wenn es schmerzlich ist.
Guttenberg hätte seinen Doktorvater besser dadurch geschützt, dass er nicht Zitate von hausarbeiten.de für seine Dissertation klaut. Aber solch ein Blender fährt auch 20 Km vor München ein Auto gegen den Baum und erklärt voller Stolz, dass er auf diese Weise Unfälle in München verhindert hat. Als ob der Schutz anderer am Freitag einer seiner Beweggründe gewesen wäre! Nein, es geht darum, dass seine Doktorarbeit nachweisbar ein Plagiat ist, dass er diese Dreistigkeit am Freitag noch für verteidigenswert hielt, und dass er bis heute nicht reinen Tisch gemacht hat, nur um politisch zu überleben.
Die Doktorarbeit ist eine Lüge, und zum Erhalt dieser Lüge war er bereit, weiter zu lügen. Oder in Guttenberg-Sprech: Weiter Blödsinn zu treiben.
Hier werden Wahrheiten so lange verdreht, bis ihnen das Genick bricht. Für Doktorarbeiten, für die politische Stellung, für den Machterhalt der Partei, für das eigene Ansehen. Man zerredet Sachkritik so lange, bis den meisten Zuhörern das Interesse an Wahrheiten flöten geht. Und wenn man das geschafft hat, dann wirft man denjenigen, die Ehrlichkeit einfordern, vor, sie führten Kampagnen im Schilde und würden wichtigere Thematiken nicht anerkennen.
2011 ist das Jahr, in dem CDU und CSU das Einfordern von Ehrlichkeit für eine Schmutzkampagne halten. Ich kenne keine Stimme aus diesen Parteien, die das bislang kritisiert hätte. Da sollte man sich über 20%-Verluste in Hamburg nicht wundern. Aber das, so meint die CDU, lag eh nur am Klima.
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Bravo, ein hervorragender Kommentar, mehr gibt es da nicht zu sagen. Erstaunlich, wie schnell die Konservativen ihre eigenen Werte einfach vergessen.
Danke schön. Nur das letzte Wort wird dies sicher nicht sein ;-). Es bleibt interessant, was weiter geschrieben wird, denn mit den aktuellen Artikeln von SZ, FAZ, STERN, ftd, SPIEGEL und ZEIT positionieren sich alle gegen Guttenberg.
Ehrlichkeit ist nie konservativ, sie ist progressiv. Daher auf der rechten Seite horror vacui und wir mittendrin:
Uneingeschränkte Solidarität mit Dr. zu Guttenberg!