Evgeny Morozov hat in der Süddeutschen Zeitung untersucht, ob der digitale Widerstand von Anonymus in Form von DDos-Angriffen zivil sei. Für eine Bewertung bezieht er sich hierbei auf John Rawls’ zivilen Ungehorsam, da Rawls A Theory of Justice, in dem dies steht, ein “Meisterwerk” sei:
Der Philosoph John Rawls entwickelte in seinem 1971 veröffentlichten Meisterwerk „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ eine der besten modernen Theorien des zivilen Ungehorsams. Rawls verteidigte den bürgerlichen Ungehorsam unter drei Bedingungen: solange der Rechtsbruch öffentlich ist (das heißt, die Autoritäten über den Akt des Ungehorsams kurz zuvor oder kurz danach benachrichtigt werden), gewaltlos ist (das heißt, dass das Handeln die Bürgerfreiheiten anderer nicht beschneidet und niemand verletzt wird), und bewusst ist (das heißt, das Handeln basiert auf ernst gemeinten moralischen Überzeugungen). (Süddeutsche Zeitung, 18./19. Dezember 2010, S. 20)
Und hier scheitert Morozov schon: Rawls verteidigt überhaupt keinen Rechtsbruch, lediglich zivilen Ungehorsam. Rawls’ Position ist eh nahe an der Kantischen, der ähnlich praktischen Widerstand befürwortete und rechtlichen Widerstand verbat. Da auch Rawls kein Widerstandsrecht einräumt und damit den durch ein Widerstandsrecht entsehenden Widerspruch anerkennt, ist ein Rechtsbruch in der Rawls’schen Theorie als Mißachtung der Rechtsordnung anzusehen. Ziviler Ungehorsam kann sich nur auf staatliches Unrecht beziehen, wenn z.B. Unrecht in Form eines Gesetz besteht.
Ddos-Angriffe können durchaus von Staaten als Straftaten angesehen werden, d.h. als Anstiftung zur Schädigung von Unternehmen. Dies ist kein ziviler Ungehorsam, nur weil rechtschaffene Gründe behauptet werden. Darauf nimmt auch Rawls bezug.