Irgendwann habe ich begonnen, Talk-Shows im Fernsehen keine Chance mehr zu geben. Das war so zu einer Zeit, als Sabine Christiansen noch lief. Immer dieselben Spannungsbögen mit oftmals denselben Talk-Nasen ohne auch nur irgendwann sachliche Erkenntnisse zu generieren. Zusehen, wie andere sich aufregen — nein, für sowas sollte mein Fernsehgerät nicht abgenutzt werden.
Ich habe also alles ignoriert: Christiansen, Jauch, Beckmann, Kerner, Maischberger, Plasberg, Lanz und Co.
Ich habe nie etwas verpasst. Nie bin ich auf eine Meldung gestoßen, die etwas aus diesen Sendungen heraus hob, so dass man sich diese Sendung unbedingt mal im Nachhinein anschauen müsste. All die ganzen Jahre.
Gestern lief Neues aus der Anstalt im ZDF und irgendwann muss ich eingenickt sein. Als ich wieder aufwachte war Lanz im Fernsehen. Er quasselte mit Ingolf Lück. Ich bin eigentlich nur dran geblieben, weil mir die Markus-Lanz-Parodie aus Swicht noch im Kopf geblieben ist: Der eckig agierende Moderator im Barbie-Ken-Stil, die einrastenden Gesten, der treudoofe Blick, die sinnbefreiten Themen.
Und die Realität war noch schlimmer: Alle parodierten Dinge kamen vor, dazu noch die lanzische Diskussionskniebeuge. Lanz klammerte sich an seine Moderationskarten wie an ein Schutzschild. Wie unsicher muss dieser Mann ohne Karten sein. Auf den Karten muss die Redaktion der Sendung ihm etwas Haltverschaffendes aufgeschrieben haben, etwas, das den roten Faden der Sendung beinhaltet. Die Sendung sollte auch um Stuttgart 21 gehen, dazu war mit Barbara Rütting eine ehemalige Grüne, die gerne demonstriert eingeladen, ein Stuttgart 21-Befürworter und mit Walter Sittler ein Stuttgart 21-Gegner. Was sollte also Lück da?
Der rote Faden der Redaktion muss so ausgesehen haben: Lück hat in Bielefeld Häuser besetzt, war also auch geübter Protestler gegen die Staatsgewalt. Also kommt genau diese Info auf Lanz’ Moderationskärtchen vor und Lanz sagt, Lück habe ja auch mal Häuser besetzt.
Und was entgegnet Lück? Nö, hab ich nicht. Ist auch nicht mein Thema. Stuttgart 21 sei auch nicht sein Thema. Was ist dann wohl Lücks Thema?
Sein Kabarettprogramm war’s. Aus diesem muss die Redaktion auch die Inhalte der Einblendungen für Ingolf Lück genommen haben. Mit der Sendung hatten sie wenig zu tun:
Die Rechercheleistung der Lanz-Redaktion — kaum in Worte zu fassen.
Man erkennt bei Lanz wohl das nahende Ende einer Unterhaltung ab Ausbleiben derartig tumber Einblendungen. Zum Schluß blendete man nach einer halben Stunde Gesprächzeit für Lück nochmal ein, dass dieser Schauspieler und Kabarettist sei. Beim ZDF denkt man wohl, dass die Zuschauer den Inhalt der Einblendungen vom Anfang eines Gesprächs eh nur kurz behalten. Wissen die Gäste von Lanz eigentlich vorher, was man unter ihrem Gesicht während der Sendung so einblendet? Welchen Subtext die Redaktion ins überlieferte Bild mit einbaut? Oder gehört das zum Risiko des Besuchs bei Lanz?
Goldig war dann aber auch eine Einblendung für Walter Sittler:
Dabei ging es in der Sendung gar nicht um Sex.
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ich habe versehentlich auch lanz geguckt.
ein paar tage vorher. zu dem thema integrationsprobleme von türkischen migranten.
leider musste ich der redaktion danach einen zuschauerbrief schreiben. ein unvorbereiteter moderator, der es schafft jede sich selbst entwickelnde interessante diskussion im keim zu ersticken, der auf den fragen auf seiner karte minütlich besteht und an seine gegenwart stetig durch ein mmmmhhh erinnert ist irgendwie lästig.
am nächsten tag kamen detlef d! soost und ein tanzender hund. wie passend.
schuster bleib bei deinen leisten.
Ja, dieses lanzsche Bemühen, eine Diskussion immer auf seine eigenen Verständnishorizont runterzubrechen, ist schon sehr verkrampft. Aber mich würde durchaus interessieren, was das ZDF auf diesen Leserbrief antwortet, wenn es das denn tut.
die haben direkt ein paar stunden später zurückgemailt:
Vielen Dank für Ihre E‑Mail an das ZDF und Ihre inhaltliche Auseinandersetzung mit unserer Sendung „Markus Lanz“ vom 13.10.10, die wir aufmerksam gelesen haben.
Ihre kritischen Anmerkungen haben wir der zuständigen Redaktion und Herrn Lanz zur Kenntnis gebracht. Dort werden sie in unserer internen Auseinandersetzung mit unserem Programmangebot bzw. im Rahmen unserer Nachbesprechungen zu den Sendungen zusammen mit anderen Zuschauerreaktionen berücksichtigt.
Darüber hinaus fließen Ihre Ausführungen in unsere hausinterne Auswertung ein und bilden somit einen wichtigen Hinweis darauf, welche Resonanz unsere Programmarbeit beim Zuschauer findet.
Wir wünschen Ihnen noch eine schöne Woche!
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Becker
ZDF, Zuschauerredaktion
´standard, aber nett.
Das sind in der Tat im Internet zu findende Standardformulierungen. Was soll so eine Zuschauerreaktionsredaktion auch anderes bieten. Klingt andererseits aber etwas verlogen, sonst würde man ja Feedback bekommen oder die Sendung würde sich qualitativ steigern. Beides wage ich zu bezweifeln.