Die Kandidatin für das Bundespräsidenten Amt der Linken, Luc Jochimsen, hat heute gemeint, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Dabei stützt sie sich darauf, dass es angeblich keinen juristischen oder wissenschaftlichen Begriff “Unrechtsstaat” gebe.
Eine seltsam haarspalterische Position. Es gibt da also den Begriff des Rechtsstaats. Nach Kant ist das ein Staat, der den Menschen ihr Recht ermöglicht. Und alles was kein Rechtsstaat ist, könnte man auch Unrechtsstaat nennen. Problemlos hätte man so einen wissenschaftlichen Begriff “Unrechtsstaat”. So haarspalterisch, wie Frau Jochimsen an die Sache herangeht, könnte man einwenden, ein Unrechtsstaat müsste ein Staat sein, der Unrecht schafft, nicht lediglich einer, der kein Recht schafft.
Aber genau das hat die DDR ja getan, in dem dieser Staat für die Bevölkerung willkürlich Personen verfolgt und getötet hat. Da dies willkürlich geschah, hätte jeder Bürger davon ausgehen müssen, auch willkürlich Opfer dieser Staatsgewalt werden zu können. Insofern kann von einer Rechtssicherheit, die ein Rechtsstaat geben müsste, nicht ausgegangen werden und insofern war die DDR schlicht ein Unrechtsstaat.
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Es stellte sich doch die Frage, ob man solche Grenzen überhaupt ziehen kann. Ist ein Rechtsstaat schon keiner mehr, wenn im Namen des Staates Unrecht verübt wird? Dann würde dieser Prüfung wohl kein jemals existierter Staat stand halten können. Und was ist mit Staaten, die ihre Bürger ganz legal verfolgen? Sind das Rechtsstaaten? Und wenn ja, welche Aussagekraft hätte der Begriff dann noch? Oder ist ein Unrechtsstaat nur ein anderer Ausdruck für Willkürherrschaft — dann wäre auch die DDR keiner.
Naja, naja. Es bleibt dabei: “Unrechtsstaat” ist kein Begriff, der in der Wissenschaft Verwendung findet, sondern in erster Linie ein politischer Kampfbegriff, der dazu dient, die Linie zwischen “Gut und Böse” zu ziehen, ähnlich wie die beinahe inhaltsleeren Schlagworte “Extremismus” oder “Totalitarismus”.
Die nötigen Vokabeln, um die DDR zu analysieren und zu beurteilen, stellt uns die Sprache bereits zur Verfügung. Es gibt also keine Notwendigkeit, auf diese sehr durchschaubaren politischen Taktiken einzugehen und sich an semantischen Fragen aufzuhängen.
Ich halte das für nachvollziehbar, wenn man da nicht mitmachen möchte. Wobei das bei der Linkspartei freilich immer so einen komischen Beigeschmack hat.
Bei der DDR erscheint mir die Sachlage eindeutig.
Ich verstehe die Reda davon nicht, dass Unrechtsstaat kein wissenschaftlicher Begriff sein soll. Gerade dort wird er verwendet.
Meines Wissens stammt der Begriff aus der Politik. Ein einzelner Vortrag, der diesen aufgreift, reicht als Beweis für seine Wissenschaftlichkeit wohl nicht aus. Darüber hinaus ist doch entscheidend, wie er verwendete wird — eben in der politischen Schlammschlacht.
Der Begriff bleibt problematisch. Ich hatte oben versucht, anzureißen wieso. Wenn der Begriff nicht eindeutig ist, hilft es auch nicht, wenn es die Sachlage ist. Eine Bewertung ist so kaum möglich.
… und damit hat “die Linke” eine weitere große Chance vertan, in den Köpfen der Menschen als demokratische Partei anerkannt zu werden. So bleiben sie erst mal noch ne Weile die SED-Nachfolge-Organisation.
Also ich bin kein Linkswähler aber den Begriff “Unrechtsstaat” empfinde ich als diffus. Kritik an fehlender sprachlicher Präzision sollte erlaubt sein. Vieles an der Diskussion um die Linke empfinde ich unterdessen als undifferenziert und eher Versuch der Diskreditierung als sachliche Diskussion. Ich wähle die Linken nicht weil ich für einige Dinge im Wahlprogramm sachliche Gegenargumente habe, mehr als bei einer bestimmten anderen Partei. Aber alleine wegen diesem krampfhaften Bemühen die Linke mit Schreckensbildern zu versehen könnte man ja fast schon wieder Linke wählen.
Ich wollte mich an dieser Stelle gar nicht speziell mit den Linken beschäftigen. Mir reicht auch eine Verwendung in der Wissenschaft, um zu sagen, dass der Begriff dort verwendet wird. Und es gibt diesen Begriff in zahlreichen weiteren Publikationen. Er ist dort sehr wohl in Verwendung. Und Jochimsens Erklärung “Derartige Definitionen sollten “juristisch und staatsrechtlich haltbar” sein” kann man entgegnen: Die Erklärung, was ein Unrechtsstaat ist (s.o.), ist auch staatsrechtlich haltbar. Es ist schlicht das Gegenteil eines Rechtsstaats.
Rechtstaat bedeutet ganz vereinfacht: Nur das es eine Gewaltenteilung gibt, die gestützt durch willen (Gesetze) den Staat ordnet. Alles andere ist eher in die politische Sphäre zu verbannen
Achso das mit Kant ist Humbug. Er bezieht sich da eher auf das Rousseausche Modell von Recht als Staat mit Willen, das ist sogar eher gegen deine Argumentation.
Unabhängig davon hast du die Broschüre überhaupt durchgelesen vielleicht steht da ja drin: Unrechtsstaaten gibt es nicht… 😉
Noch einen Punkt der dagegen spricht. Wenn wir den Unrechtstaat daran erkennen, dass er kein Rechtstaat ist. Woran erkennen wir einen Rechtsstaat und dazu gibt dein Kant nichts her. Zusätzlich gibt es dann nur in Deutschland einen Rechtsstaat und sonst nirgends auf der Welt. (weil es keinen Begriff in einer anderen Sprache gibt wissenschaftlich)
a. “Das mit Kant” ist kein Humbug, nur der angebliche Bezug auf das “Rousseausche Modell von Recht als Staat mit Willen”. Staat mit Willen ist sicherlich nicht Kants Position. Staat ist für Kant der vereinigte Willen Aller, nicht eine Institution, der noch ein Wille beigefügt wird.
b. Welche Broschüre?
c. Natürlich gibt Kant etwas her, woran man einen Rechtsstaat erkennt.
d. Andere Sprachen sind doch nicht das Ende aller Definitionen.
a klar da die Vereinigung der willen nicht im Staat passiert sondern im reich der freiheit/Vernunft (in einer Metaebene). Aus diesem Reich der Vernunft kommen alle Bürger gleich heraus (da sie an der objektiven Vernunft teilhaben) und dann den staat gründen, somit alle das gleiche (venünftige) wollen und nur der venünftige Wille regiert. Deswegen auch die Figur des aufgeklärten absolutistischen Herrscher bei Kant (ja Kant war so totalitär). Was du meinst findet sich eher bei Hegel oder noch besser bei den früh-Sozialisten Proudhoun etc. .…
b. dein link im Post oben bei Amazon
c. habe bei a schon gesagt (absolutistisch oder heute würde man eher diktatorisch sagen) würdest du als nicht rechtsstaatlich halten sicherlich.
c. doch wenn es keine Sprache gibt kann es auch keine Begriffe/Vorstellungen geben und da wir über/mit andere Länder reden und diese die Begriff nicht kennen gibt es 2 Möglichkeiten. 1. Wir müssen ihnen unsere SPrache beibringen weil wir schlauer sind 2. Es könnte sein das wir falsch liegen und die Vorstellung von Rechtstaat Humbug ist
a. “Reich der Vernunft”, das halte ich für Quatsch. “Kommen alle Bürger gleich raus”, es werden ja nicht mal alle Staatsbürger. Es wollen auch nicht alles “das gleiche” und es kommt auch sicher kein “aufgeklärter absolutistischer Herrscher bei Kant” raus. Das halte ich auch für Quatsch, wo soll das denn stehen?
b. Das war nur ein Beispiel für die wissenschaftliche Verwendung dieses Begriffs.
c. Ich sehe bei Kant keinen absolutistischen Herrscher, daher erübrigt sich dieser Punkt.
d. Sprache ist wirklich nicht das Problem einer Erläuterung. Die Klarheit einer Erläuterung ist das Wesentliche. Auch nicht weil “wir schlauer sind”. Das erscheint mir alles zu platt.
a. Reich der Vernunft (mundus intelligibilis) wird auch manchmal mit Bereich übersetzt aber gängig ist eigentlich Reich… . Grundlegung zur Metaphysik der Sitten Es könnte auch in der Kritik vorkommen aber Metaphysik ist da schon besser
b. ja aber vielleicht steht in der Broschüre drin, dass Rechtstaat kein wissenschaftlicher Begriff ist und in der wissenschaftlichen Debatte nicht vorkommt… war nur eine Nachfrage ob das was du verlinkst auch gelesen hast.…
c.schlag einfach unter moralischen absolutismus nach und nein da reicht wiki leider nicht aus.
d. stimmmt hast recht war etwas polemisch. Ich probiere es so
2.062 From the existence or non-existence of one state of affairs it is impossible to infer the existence or non-existence of another.
and
2.14 What constitutes a picture is that its elements are related to one another in a determinate way.
2.174 A picture cannot, however, place itself outside its representational form.
wenn dies stimmen sollte dann ist Sprache die einzige Möglichkeit Begriffe zu fassen (das Denken ist nähmlich Sprache=Symbolische Ordnungen)wenn also den Begriff Rechtstaat/Unrechtsstaat nur in Deutschland gibt und scheinbar nirgendswo anders dann könnte dieser Fall vorliegen
2.173 A picture represents its subject from a position outside it. (Its standpoint is its representational form.) That is why a picture represents its subject correctly or incorrectly.
2.222 The agreement or disagreement or its sense with reality constitutes its truth or falsity.
Also entweder haben ein winziger Teil einer sich nicht damit befassenden Bevölkerung Recht und alle anderen Unrecht oder umgekehrt.
Deshalb steht es im Moment 1:0 für Unrechtsstaatsbegriffs Gegner. Aber du hast mit Kant hat das Ding Rechtsstaat versucht zu konstruieren. Vulgär gesagt: Aber nur um Gott zu ersetzen und da gab es wie gesagt im d.Idealismus zwei Strömungen einmal Kant ersetzen den göttliche Alleinherrscher durch den aufgeklärten Alleinherrscher und Hegel hab ich noch nicht ganz geblickt. (ich glaube das steht sogar in wiki)
a. Okay, was du meinst, ist der Gesellschaftsvertrag, etwas, was nach Kant in der Idee geschlossen wird, unabhängig von einer realen (historischen) Umsetzung (Die Metaphysik der Sitten). Die nichtshistorische Staatsgründung fällt aber auch dahinein. Aber gut, da war ich zu kurz angebunden.
b. Ich wollte nur darlegen, dass unabhängig von realer Verwendung, der Begriff dess Unrechtsstaats in wissenschaftlichen Kontexten als Gegenbegriff zum Rechtsstaat problemlos verwendet werden kann und wird.
c. Scheint mir nach wie vor in bezug auf Kant kein dessen Theorie treffender Begriff zu sein.
d. Kant sucht keinen absolutistischen Alleinherrscher, da bist du auf dem Holzweg. Der Staat ist der vereinigte Wille Aller. Man muss Kant nach den Prinzipien, die er entwickelt, versuchen zu verstehen, nicht nach vorgefertigten Bildern, in die Kant passen soll. Das kriegen aber selbst renommierte Kantforscher oft nicht gebacken.
Was das Sprachargument angeht: Ich muss nicht nach einem gebrauchidentischen Begriff in einer anderen Sprache suchen und aufgeben, wenn dieser nicht zu finden ist. Verwender von Sprachen können miteinander kommunizieren und sich über die Verwendung zweier Begriffe, die man für einigermaßen deckungsgleich hält, einig werden.
Es gibt keine 100%ige Übersetzung von Heimat ins Englische, das heisst aber nicht, dass dieser Begriff einem Engländer auf ewig unbegreiflich ist. Bei Rechtsstaat und dessen Gegenteil erscheinen mir die Probleme geringer.