Immer wenn sich was tut in Deutschland, bin ich selber geneigt, mal kurz einen Schritt zurück zu treten, und zu versuchen, das, was da passiert in einfachere Worte zu fassen. Ich habe einige Freunde in den Niederlanden, in den Staaten und anderen europäischen Ländern und da wird man eben gerne gefragt: Was passiert denn da gerade und was hälst du davon?
Ich habe mich, was die Präsidentenwahl 2010 in Deutschland betrifft, bisher eher zurückgehalten. Wie viele habe ich sie zunächst für eine ausgemachte Sache gehalten: Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP könnten in der Bundesversammlung sicherlich ihren Kandidaten, Christian Wulff, durchboxen. Aus meiner lokalen Ecke habe ich schon hier und da vernommen, dass man sich schon irgendwie freute, dass mit Wulff ein Osnabrücker auf Kandidatenplatz 1 stand.
Und dann kam Gauck.
Und wie er kam. Er verwendete seine Vorstellung als Kandidat für das Bundespräsidentenamt, salopp gesagt, als Erzählstunde, wie er sich als Bundesbürger identifizierte. Und er tat dies in einer verständlichen, angenehmen, zum Schmunzeln anregenden Weise, wie man es sich von Pfarrern und Großvätern wünscht:
Für sich genommen war das schon beeindruckend — wie dröge war dagegen die Vorstellung Christian Wulffs — aber das alleine und der gewisse Bekanntheitsgrad, über den er verfügt, mag derzeit die Euphorie für Joachim Gauck nicht erklären.
Joachim Gauck ist in seiner Rolle als überparteilicher Kandidat eben auch ein Gegenmodell zum herrschendem Politikstil der Sachzwänge: Wir machen das so und so, weil es keine Alternativen gibt. Dabei gibt es immer Alternativen.
Christian Wulff selbst ist Repräsentant dieses Stils, wenn er meint, dass die Geschlossenheit von CDU/CSU und FDP ihn zur Bundespräsidentschaft führe. Er zieht schon vor der Nominierung Gaucks gar nicht die Alternative in Erwägung, durch Sachlichkeit zu überzeugen. Es ging immer nur um die schon bestehenden Mehrheitsverhältnisse.
Wulff versteckt sich hinter bereits bestehenden Machtverhältnissen und scheut eine offene, sachliche Auseinandersetzung sowie eine lagerunabhängige Abstimmung bei der Bundesversammlung. Wer so agiert, handelt anti-aufklärerisch.
Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass so ein verlogenes Getue direkt vor den Kameras zustande kommt:
Joachim Gauck dagegen ist ein Inbegriff für Aufklärung in Deutschland, der diesen Gedanken auch lebt. Und sowas erkennt man in Deutschland eben zwischen den Zeilen und weiss es zu würdigen. Das genau scheint mir die Welle der Sympathie zu erklären, die ihn gerade trägt.