Das kann ja noch sehr heiter werden mit
Aygül Özkan: Zunächst erklärt sie ihre Zugehörigkeit als Muslimin zur CDU damit, dass sie übereinstimmt mit den Werten, für die CDU steht. Das ist ja CDU-intern für sich schon ein Hammer: Jemand, der sich über seine Denkergebnisse definiert, nicht über seinen Glauben. Und das als Muslimin. Dabei repräsentiert sie nur die vielen, für die das
C in
CDU denselben Anspruch enthält wie das
S in
SPD: Die Orientierung an einem anständigen Miteinander. Ob man das nun Nächstenliebe oder Solidarität nennt, das kümmert die Wenigsten.
Aber damit noch nicht genug: Sie fordert, dass sowohl Kopftücher als auch Kruzifixe aus den Klassenzimmern verschwinden.
Deubel nochmal! Ja, warum sollte es auch dem katholischen Fundamentalismus anders ergehen als dem islamischen?
Ich habe in meinem Bekanntenkreis auch Leute, die ich für offen hielt, die aber mit Sätzen kamen wie:
Das wird hier noch ganz anders, wenn die Muslime überall ihre Moscheen hochziehen und diese Glaubensrichtung an Gewicht zunimmt. Da steckte eine latente Angst, eine bange Vorsicht drin. Als ob bei den Muslima eine aufgeklärte Orientierung an so ein
C oder
S oder wie immer man es interpretieren möchte, komplett undekbar wäre.
Man sieht derartige Haltungen auch gerne mal journalistisch aufbereitet in Überschriften wie heute bei der FAZ:
Kann Aygül Özkan Ministerin? Das soll wohl an
die Laien-Castingshow beim ZDF erinnern und rückt Özkan in die Rolle der maximal talentierten Hobbypolitikerin. Daneben findet man bei der FAZ dann so böse Gedanken wie folgenden:
Dass Aygül Özkan einen ebenfalls türkischstämmigen Ehemann hat, einen Arzt aus Eppendorf, mag den einen zeigen, wie sehr sie trotz allem „im Migrationshintergrund“ verhaftet geblieben ist. Den anderen ist genau das vermutlich ein besonderer kultureller Gewinn der Integration.
Die Idee, dass jemandem derartige Gedanken gar nicht kommen, ist der FAZ offensichtlich fremd. Das resprektlose Rumspekulieren über Privatangelegenheiten hat offenbar seinen sicheren Platz in der FAZ.
Aber darum geht es mir nicht: Mit beiden Gedankengängen repräsentiert Özkan den Typus des aufgeklärten Denkers von heute. Wenn sie vor der eigenen Partei nicht einknickt oder sich ihre Haltung als Opportunismus entpuppt, kann die Frau Gold wert sein. Das merkt man alleine schon an den Leuten, die sich so schnell gegen sie positionieren:
Der CSU-Politiker Herrmann sagte der “Rheinischen Post”, Deutschland sei von der christlichen Tradition geprägt. Das solle auch der jungen Generation in den Schulklassen vermittelt werden. Der frühere bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) verwies die Deutsch-Türkin Özkan auf das Grundgesetz. Dieses sei nach der NS-Zeit mit ausdrücklicher Rückbesinnung auf das christliche Menschenbild verabschiedet worden, sagte Goppel, Vorsitzender des Geprächskreises der “ChristSozialen Katholiken”.
Staatsministerin Böhmer sagte am Montag im Deutschlandfunk, Deutschland stehe in einer Jahrhunderte alten christlichen Tradition: “Kreuze in den Schulen sind Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses.” Die Forderung Özkans sieht Böhmer jedoch nicht als Hindernis für die CDU-Politikerin, das Ministeramt anzutreten. “Natürlich sollen Migranten alle Möglichkeiten in unserem Land haben”, betonte Böhmer.
Wie schön, dass man gleich einen Kritiker mit Begriffen wie Migrant deckelt. Aber diese An-unsere-Werte-Erinnerer sollten sich ihrerseits auch immer wieder klar machen, dass die vorrangige Stellung, die das Christentum heute in Deutschlands Bildungssystem genießt mehr mit Hitler als mit den Vätern des Grundgesetzes zu tun hat. Und abgesehen davon: Das Kreuz ist mitnichten Ausdruck “unseres” Werteverständnisses.
Ihr Chef Christian Wulff hat da wohl auch so seine Probleme mit einer nicht dem Christentum sich verpflichtet fühlenden Politikerin:
In Niedersachsen werden christliche Symbole, insbesondere Kreuze in den Schulen, seitens der Landesregierung im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt.
Und Religionsfreiheit darf es da eben nur bei Schülerinnen und Zimmerwänden geben:
Aus Gründen der Religionsfreiheit würden auch Kopftücher bei Schülerinnen toleriert — nicht aber bei Lehrkräften, was Özkan auch gemeint habe. „Frau Özkan hat ihre persönliche Meinung zur weltanschaulichen Neutralität geäußert, aber sie stellt die niedersächsische Praxis nicht in Frage.“
Zumindest nicht ausdrücklich. Aber man kann so ein Abbügeln natürlich auch anti-aufklärerisch aufziehen, wie der Vorsitzende der Schüler-Union:
Der Bundesvorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation Schüler-Union, Younes Ouaqasse, forderte den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christan Wulff (CDU) auf, auf die Ernennnung Özkans zur Ministerin zu verzichten. “Diese Frau hat ihre Kompetenzen überschritten”, sagte Ouaqasse der “Bild-Zeitung”. Durch Aussagen wie die von Özkan verlören die Volksparteien CDU und CSU ihre Glaubwürdigkeit und damit ihren Rückhalt in der Bevölkerung.
Und so lange der Rückhalt in der Bevölkerung nicht gesichert ist, so lange muss Wahrheit auch mal hinten anstehen. Jonathan Swift hat das mal so formuliert:
Tritt ein wahres Genie in die Welt, erkennt es an den Idioten, die sich dagegen verschwören.
[ Foto: http://www.flickr.com/photos/teller/ / CC BY-NC-SA 2.0 ]