Frank Schirrmacher hat sich wieder mit den modernen Medien auseinander gesetzt und setzt zu einer weiteren Endzeitkritik an: Schwellenjahr 2010.
Es ist ein geradezu typischer Schirrmacher-Text, so typisch, dass man das Vorgehen Schirrmachern nennen kann: Man winke sich ein paar Gegebenheiten aus einem Sachbereich heran, mache einen Bereich aus, der diesen Sachbereich betrifft, unterstelle, dass noch niemand diesen Sonderbereich gut genug verstanden habe, obwohl genau durch diesen entscheidene Veränderungen zu erwarten sind. Ein paar Zitate von ernannten Experten und Geisteswissenschaftlern dazu — Fertig ist die Laube.
In diesem Text sind die Gegenstände Google, Twitter, die Zeitungen, das Internet, die Nutzer, der internetabhängige Bürger, der Freund, der Arzt, die Einwanderungsbehörde.
Der Sonderbereich ist Der Algorhitmus von Google. Den kennt halt niemand, so Schirrmacher, was ihn auch dazu veranlasst von den Algorithmen von Google zu sprechen. Was Schirrmacher damit meint und warum das so gefährlich ist, dass das niemand kennt, verrät er nicht.
Vielleicht meint er die gelistete Platzierung von Texten durch Google als Suchmaschine, bei dem die Hierarchie der Ordnung dem Benutzer nicht klar ist. Aber warum ist das so problematisch, der Benutzer kann doch selbst weitersuchen nach Texten, die er für qualifizierter hält. Ein bisschen mehr Sacherläuterungen wären an dieser Stelle gerade für FAZ-Leser, die nicht mit jedem Internet-Begriff vertraut sind, Gold wert.
Auch ansonsten ist unklar, weswegen das Problem, das Schirrmacher da vor Augen hat, sich so überhaupt als Problem darstellt und für wen. Von Twitter als Echtzeitmedium hoppst er anfangs flux zu Google, das ja gerade das Echtzeitmediale völlig verschlafen hat. Überhaupt funktioniert Schirrmachers Text nur, wenn man unterstellt, Google sei ein immer weiter erfolgreich um sich greifendes Unternehmen. Oder wie Schirrmacher phantasiert: Ein Regisseur unseres Lebens.
Unser aller Big Brother, Herrscher über das, was uns zu entscheiden doch eigentlich obliegt. Verlassen wir aber diese Feuilleton-Fiction, so sieht man sich gleich der Frage ausgesetzt, ob nicht Schirrmachers Text selbst eine Grundhaltung verkörperlicht, die das Jammern der Verfechter eines angeblich untergehenden Qualitätsjournalismus’ ausmacht:
So ein Text als Blogeintrag eines unbekannten Verfasser würde kaum jemand ernsthaft lesen. Dazu ist er schlicht zu chaotisch was den verhandelten Gegenstand betrift, zu selbstgefällig und zu lang. Aber im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kommt sowas auf der ersten Seite, beworben dazu auf der Frontseite des Sonntagblattes.
Das Internet, und nicht nur Google, nimmt derartigen Texten, die nicht an sich überzeugen, sondern für eine größere Aufmerksamkeit medial gepusht werden müssen, etwas von dieser Push-Möglichkeit.
Was könnte dem Qualitätsjournalismus besseres passieren?