Das Schwinden der Glaubwürdigkeit der SPD

Thomas Stadler bilanziert ganz richtig:
Wie nun­mehr bekan­nt wurde, war [der Umstand, dass die große Mehrzahl der Serv­er, die auf aus­ländis­chen Sper­rlis­ten als kinder­pornografisch aufge­führt sind, in Europa und den USA ste­hen,] den Bun­destags­frak­tio­nen, ins­beson­dere der SPD-Frak­tion, bere­its vor der Abstim­mung im Bun­destag pos­i­tiv bekan­nt und zwar inter­es­san­ter Weise auf­grund eines Schreibens des BKA. (…)
Die SPD set­zt dem nun­mehr die Kro­ne auf, indem sie diese Infor­ma­tion, die ihr bere­its im Zeit­punkt ihrer Zus­tim­mung zum Zugangser­schwerungs­ge­setz bekan­nt war, als Begrün­dung dafür her­anzieht, sich nachträglich gegen das Gesetz auszus­prechen. Damit set­zt die Partei ein ein­sames High­light in Sachen Unglaub­würdigkeit, das kaum mehr zu top­pen ist.

Aber, hier wird ja nur etwas offen­gelegt, was auch schon länger bekan­nt gewe­sen ist: Die SPD hat aus Wahlkampf­tak­tik dem Gesetz zu ges­timmt.
Ich habe damals mal ein Mit­glied der SPD, das sich in den höheren Kreisen ausken­nt, gefragt, wie das denn einzuschätzen sei mit der Hal­tung der SPD, wo ihr doch ger­ade so an die 132.000 poten­tielle Wäh­ler flöten gehen.
Da wurde ich gefragt, ob ich denn gar nicht wüsste, wie das bei Parteien so abgin­ge? Wenn bei abgeordnetenwatch.de beispiel­sweise einem Abge­ord­neten eine bes­timmte Frage nach der Hal­tung der SPD gestellt werde, dann holt er die ihm zugeschick­te vorge­fer­tigte Mei­n­ung der Partei her­vor und kopiert die 1:1 da rein. Und so müsse ich mir das dann auch bei dieser Frage vorstellen: Irgend­je­mand hat da was beschlossen, aus welchen Grün­den auch immer, und dass zieht man jet­zt durch. Wenn das jet­zt falsch begrün­det ist oder dem einzel­nen quer läuft: Pech!
spdglaube
Ich bin mir ziem­lich sich­er, dass das genau­so auch bei der CDU und anderen Parteien läuft. Nur: In der so agilen Öffentlichkeit wie sie momen­tan herrscht, funk­tion­iert das nicht mehr so sauber. Parteien dür­fen sich eben nicht wun­dern, wenn Gepflo­gen­heit­en, die intern nich­tau­tonome Parteigänger zu akzep­tieren haben, extern von den Bürg­ern als Quatsch ange­se­hen wer­den. Ganz ein­fach, weil es das ist: Quatsch.
Frak­tion­szwang war nie Bürg­er­wille. Frak­tion­szwang oder wie die CDU es artver­wandt nen­nt: Geschlossen­heit soll nach ein­er aufgek­lärten Diskus­sion hergestellte, inner­parteiliche Einigkeit darstellen. Es wird aber durch die Öffentlichkeit nur noch als Maulko­r­b­ver­fahren wahrgenom­men. Das ist eben die öffentliche Ein­schätzung von Poli­tik. Volkspartei ist da nie­mand mehr, wer lässt sich schon pri­vat so ein Maulko­r­b­ver­fahren gefall­en? Deswe­gen gibt es keinen Trend, in solche Parteien einzutreten. Und dieses Geschlossen­heits­dik­tum ist auch, weil es eben nicht mehr als ein Dik­tum ist, anti-aufk­lärerisch, d.i. eine klärende, aber eben auch zeitaufwändi­ge Diskus­sion wird zugun­sten der Bas­ta-Poli­tik aufgegeben. Wer soll nun aber jeman­den wählen, der seinem eige­nen Denken, das zumin­d­est den Anspruch ein­er aufgek­lärten Hal­tung hat, so ekla­tant wider­spricht? Deswe­gen schwindet die Wäh­lerzus­tim­mung der Parteien.
Die SPD hat ein paar Köpfe aus­ge­tauscht, aber eben keine Gepflo­gen­heit­en geän­dert. Wenn sie sich jet­zt ern­thaft wun­dert, weswe­gen keine Verän­derung bei der Zus­tim­mung der Bürg­er ein­tritt, so sei ihr gesagt: Noch ist die SPD in Umfra­gen 6% vor den Grü­nen. Noch.

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Ein Trümmerhaufen namens CDU

Wenn es das Ziel der CDU derzeit wäre, all das, was sie sich selb­st als Kernkom­pe­ten­zen zuschreibt, nach­haltig zu beschädi­gen, sie kön­nte derzeit wohl nicht erfol­gre­ich­er sein:
Die Wirtschaft­skom­pe­tenz, als deren größtes Beispiel Bay­ern immer herange­zo­gen wurde, ist eben dort als Dil­letan­tismus geoutet wor­den, für den der bayrische Steuerzahler noch Jahre schmer­zlich büßen wird.
Bei der Beset­zung der Min­is­ter­posten zeigte Merkel zunächst bei Schäu­ble auf erschreck­end erbärm­liche Weise, dass das Ver­fahren zur Beset­zung dieses Postens, rein­er eigen­er Parteilob­by­is­mus gewe­sen ist…
10jahrespendenaffaere
… nur um es bei der Beset­zung des Fam­i­lien­min­is­teri­ums erneut zu wieder­holen.
Kurz nach der Bun­destagswahl gab Wolf­gang Schäu­ble zu, dass die Härte, die man im Zuge der Durch­set­zung des Inter­netsper­rver­fahrens an den Tag legte, auch nur der Pro­fil­ierung der eige­nen Partei diente, nicht dem The­ma.
Und schließlich ist es das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um, bei dem sich so langsam die Frage auf­drängt, ob der Parteilob­by­is­mus der CDU auf Kosten von Men­schen­leben geht. Die Süd­deutsche Zeitung schreibt hierüber unter der Über­schrift In diesem ehren­werten Haus, die den ver­fehlten Anspruch kennze­ich­net, vorgestern in ein­er Weise, die fast schon zynisch ist:

Als “Lot­ter­haufen” werde das Min­is­teri­um beschrieben, sagt ein­er aus der Mitte dieses Haufens, was ein­er­seits nicht gerecht sei, ander­er­seits aber habe es schon mas­sive Ver­w­er­fun­gen gegeben unter der Nicht-Führung des Min­is­ters Franz Josef Jung. “In einem des­o­lat­en Zus­tand sei das Haus”, sagt ein ander­er, voller Fürsten­tümer und Kön­i­gre­iche, vom Mis­strauen zer­set­zt, mil­itärisch verun­sichert. Als Grund dafür wird die Regentschaft von Jung angegeben, “den man am lieb­sten gar nicht ein­be­zo­gen hat aus Angst, dass er wieder alles versem­melt”.

Im Artikel Die Höhe kommt Jungs Nach­fol­ger Gut­ten­berg nicht viel bess­er weg:

Als Gut­ten­berg ein paar Wochen im Wirtschaftsmin­is­teri­um gewirkt hat­te, sagte ein Hochrangiger dort, man wisse zwar nicht genau, was er mache, aber alle fän­den ihn net­ter als den Glos. Gut­ten­berg wird Erfolg zugeschrieben, bevor er noch Erfolg nach­weisen kann. Man nimmt ein­fach an, dass der Erfolg in der Nähe von Män­nern — gibt es diesen Typ eigentlich auch bei Frauen? — wie Karl-Theodor zu Gut­ten­berg wohnen muss.

Nun ist Gut­ten­berg aber gar nicht selb­st­tätig so hoch gestiegen, son­dern er ist der Fall jenes Berg­touris­ten, der von Führern auf alle möglichen Gipfel gebracht wird. Als Horst See­hofer in ein­er per­son­ell wie poli­tisch bemerkenswert mar­o­den CSU nach neuen Leuten, einem Gen­er­alsekretär, suchte, fand er Gut­ten­berg. Als Michael Glos aus dem Wirtschaftsmin­is­teri­um floh, fan­den See­hofer und damit auch Angela Merkel wiederum: Gut­ten­berg. Und als Merkel sehr schnell einen Nach­fol­ger für Jung brauchte, den sie auch in ihrer zweit­en Kan­zler­schaft wider besseres Wis­sen im Amt hal­ten wollte, da stand schon wieder bere­it: der mit­tler­weile pro­fes­sionelle Nach­fol­ger Gut­ten­berg. Es mag sein, dass er im kurzfristi­gen Übernehmen von Ämtern viel bess­er ist als im langfristi­gen Führen dieser Ämter. Beim Übernehmen näm­lich zählt der äußere Ein­druck.

Über­haupt zählt bei der CDU ja nur noch der Ein­druck: Christliche Werte und demokratis­che Prozesse sind so weit an den Rand gedrückt, wie sel­ten zuvor und eigentlich nur noch schmück­endes Bei­w­erk. Aber die Blöße, dass Parteilob­by­is­mus die ersten bei­den Buch­staben der Partei längst über­flügelt hat, will und kann sich bei der CDU sicher­lich nie­mand geben. PU macht jet­zt auch als Begriff nicht so einen schick­en Ein­druck.
Passend zum idee­len Ausverkauf der Partei unter­sucht nun nach der Süd­deutschen Zeitung (“Ohne ihr Net­zw­erk aus Uni, Poli­tik und pri­vatem Umfeld wäre die Min­is­terin nicht Frau Dok­tor. ”) auch der Deutsch­land­funk die Dok­torar­beit von Kristi­na Köh­ler und meint:

Um es gle­ich vor­weg zu sagen: Nie­mand sollte 39,95 Euro für dieses Buch aus­geben.

Die Arbeit ver­gle­icht Hal­tun­gen von CDU-Mit­gliedern, die im Bun­destag sitzen, mit solchen CDU-Mit­gliedern, die nicht im Bun­destag sitzen. Die Grun­dan­nahme ist also, es verän­dert sich in der Hal­tung etwas, wenn sie im Bun­destag sitzen. Und aus diesem Unter­schiedsver­hält­nis will Köh­ler Schlüsse ziehen, was rein wis­senschaftlich betra­chtet, vol­lkom­men boden­los ist. Aus Umfragezetteln kön­nen Sie nur sin­nvoller­weise das dort Angekreuzte wiedergeben, alle weit­eren Rückschlüsse sind willkür­liche Speku­la­tio­nen, die eher das wiedergeben, was der Speku­lant daraus erschliessen will.

Im Kern soll­ten die Befragten sagen, was ihnen wichtiger ist: Frei­heit oder Gle­ich­heit. Das Ergeb­nis war vorherse­hbar: Natür­lich ist Gle­ich­heit für Mit­glieder und Bun­destagsab­ge­ord­nete der CDU weniger wichtig als Frei­heit. Wobei Frei­heit im Sinne von Kristi­na Köh­lers Unter­suchung vor allem die Frei­heit des Wirtschaftens und des Strebens nach materiellem Wohl­stand ist. Von Frei­heit im Sinne von Bürg­er­recht­en und Pri­vat­sphäre ist nicht die Rede, kann auch nicht die Rede sein bei Kristi­na Köh­ler.

Das ist dann wohl grund­sät­zlich wie die Hal­tung der FDP: Man nen­nt immer nur das frei, was man ger­ade gut find­et.

Wer sich bis zum Ende durchgekämpft hat, der begreift, dass die ganzen 303 Seit­en der Dis­ser­ta­tion von Frau Dr. Köh­ler eigentlich nichts weit­er sind als eine Auf­forderung an die CDU, ihre neolib­erale Pro­gram­matik von 2005 zu rea­n­imieren. Der Fir­nis der Wis­senschaft kann diese Botschaft kaum überdeck­en.

Au, weia.
Ander­er­seits ist diese Analyse auch nur fol­gerichtig: Wenn eine Partei ihre Ide­ale verkauft, macht sie Platz für grob­schläch­terige Ideen wie den Neolib­er­al­is­mus.

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Alle mal lachen über den Axel Springer Verlag (II)

Ist der alte Geis­ter­fahrer-Witz noch bekan­nt? Durchs Autora­dio kommt die Mel­dung, dass einem auf der Auto­bahn, auf die der Fahrer sich befind­et, ein Geis­ter­fahrer befind­et. Woraufhin der Aut­o­fahrer meint: “Ein­er? Hun­derte!”
Eben­so hat sich Springer-Chef Döpfn­er im Man­ag­er-Mag­a­zin seine Mei­n­ung zurecht gez­im­mert. Ein Jahrzehnt lang haben Ver­lage die dumme Idee beherzigt, Inhalte gratis online anzu­bi­eten. Damit müsse nun Schluss sein, der­ar­tige Ideen seien die von Web-Kom­mu­nis­ten.
webkommunist
Na, also, wenn man bei Springer noch nicht mal mehr das Belei­di­gen ander­er vernün­ftig hin­bekommt, ist da wohl tat­säch­lich langsam Krisen­stim­mung. Das hat schon mal wesentlich bess­er funk­tion­iert.
Aber noch mal kurz Herr Döpfn­er im Wort­laut:

Es kann nicht sein, dass die dum­men Old-Econ­o­my-Guys für viel Geld wertvolle Inhalte erstellen und die smarten New-Tech­nol­o­gy-Guys sie ein­fach stehlen und bei ihren Wer­bekun­den ver­mark­ten.

Voll gemein, du. Dass die Old-Econ­o­my-Guys den High-Qual­i­ty-Con­tent ihrer Inter­net-Pages in Parts auf den Pages der New-Tech­nol­o­gy-Guys gemoved wiederfind­en, das ist so com­plete­ly fucked up, dass lässt sich not even more in deutsch­er Sprache aus­pushen.
Abge­se­hen davon passiert das ja gar nicht. Google ver­mark­tet keine Artikel ander­er bei seinen Kun­den. Döpfn­ers Kri­tik an den Ver­la­gen, dass es für das Inter­net noch immer kein tragfähiges Wirtschaft­skonzept gibt, dass Jour­nal­is­ten bess­er gefördert wer­den müssten, ist so falsch nicht. Aber eine Beherzi­gung dieser Kri­tik ger­ade im eige­nen Hause ist den Springer-Leuten doch ein­fach nur zu wün­schen.
Den schwarzen Peter anderen Ver­la­gen und den Web-Kom­mu­nis­ten, wer immer sich dadurch ange­sprochen fühlen soll, zu sehen ist aber nur Ausweis der eige­nen verzweifel­ten Lage. Man glaubt wohl auch beim Axel-Springer-Ver­lag nicht, dass die paar kostenpflichti­gen Artikel, die bei Berlin­er Mor­gen­post und Ham­borg­er Abend­blatt nun kauf­bere­it da ste­hen, grundle­gende Verän­derun­gen her­vor­brin­gen wer­den.
Diesen Punkt kann Döpfn­er nicht machen. Es gibt genü­gend kosten­lose Inhalte, die im Inter­net frei ver­füg­bar ist. Das Schöne am Inter­net ist, wenn es da Lück­en gibt, kann jed­er Benutzer selb­st in diese Lücke sprin­gen.
Ander­er­seits haben Buchver­leger immer auf ihr Kul­turgut ver­traut und sind von Wer­bung und ander­weit­igem kosten­losen Lesev­ergnü­gen weit weniger abhängig, auch wenn ihnen Krisen­zeit­en nicht unbekan­nt sind. Leute kaufen eben immer noch Büch­er wegen der Qual­ität­ser­wartung, die sie mit ihnen verbinden und die sie offen­sichtlich oft genugt bestätigt bekom­men.
Sofern das für Zeitungsver­lage nicht gilt, muss man sich wohl ein­fach nach zusät­zlichen Einah­me­quellen umse­hen:
idoepfner

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