Die Trittbrettfahrer des Schweizer Minarettenstreits

Aaron Koenig hat den Minaret­ten­stre­it der Schweiz als Anlass genom­men, seine BefĂŒr­wor­tung der Ein­fĂŒhrung direk­ter Demokratie in Deutsch­land nochmals her­vor zu heben. In seinem Vorge­hen hat er aber nur den ange­blich demokratis­chen Prozess ĂŒber die Frage nach ein­er recht­mĂ€ĂŸig begrĂŒn­de­ten Entschei­dung gestellt. Seine Argu­men­ta­tion fĂŒr eine soge­nan­nte “direk­te Demokratie” ignori­ert allerd­ings den von Kant schon vor­ge­tra­ge­nen Vor­wurf, eine so gefĂ€llte Entschei­dung sei let­ztlich nur die Diskri­m­inierung der Min­der­heit in ein­er Bevölkerung durch die Mehrheit. Deswe­gen muss an dieser Stelle der Inhalt der Entschei­dung in die Betra­ch­tung genom­men wer­den.
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Lars Reineke hat in seinem Blog davon gesprochen, dass Koenig mit seinem Text frem­den­fendlich argu­men­tiert habe. Das kann ich auch im Orig­inal­text so nicht erken­nen. Und ich dis­tanziere mich auch stark von Ver­suchen, in der­ar­tige Texte solche Ten­den­zen hineinzupsy­chol­o­gisieren, wie es in einem Artikel von Julia Seel­iger in der taz etwas unhin­ter­fragt her­aus­ge­hoben wird. Das ist ungeschickt von Julia Seel­iger, die Kri­tik Koenigs, der Artikel bezichtige ihn des Recht­spop­ulis­mus ist durch den Text Seel­igers aber auch wiederum nicht gedeckt.
Was Volk­er Bouffi­er, der hes­sis­che Innen­min­is­ter, dage­gen in der NOZ vom Stapel lÀsst, darf sich durch aus der Frage nach ein­er aus­lÀn­der­feindlichen Hin­ter­grun­dan­nahme aus­ge­set­zt sehen:

NatĂŒr­lich haben die Mus­lime in Deutsch­land ein Recht darauf, Moscheen zu bauen. Sie soll­ten aber darauf acht­en, die deutsche Bevölkerung damit nicht zu ĂŒber­fordern.

Entwed­er ist das nur aber­mals sprach­lich ungeschickt aus­ge­drĂŒckt oder hier wer­den Mus­lime und deutsche Bevölerung als gegenĂŒber­ste­hende Grup­pen betra­chtet. Fraglich ist auch, inwiefern jemand durch den Bau eines GebĂ€udes, sofern es all­ge­meinen Geset­zmĂ€ĂŸigkeit­en, die in Deutsch­land gel­ten, entspricht, â€œĂŒber­fordert” wird. Geht es da um die Ästhetik oder die Angst und Angst heisst hier doch: die Vorurteile der “deutschen Bevölkerung”. Sind diese Vorurteile jet­zt beson­ders schĂŒtzenswert? Wo blieben diese Vorurteile beim Bau all der Burg­er Kings und McDonald’s‑Filialen?
Aber das Ausspie­len dieser Karte ist bei der hes­sis­chen CDU ja nun ein­mal nichts neues.
mehr: Clemens Wer­gin — Die Schweiz fĂ€llt hin­ter die Aufk­lĂ€rung zurĂŒck

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Bratwurstjournalismus vs. Fastfoodjournalismus

bratwurst
WĂ€hrend einige Print­me­di­en ja noch den Blog­gern ent­ge­gen­hal­ten, dass sie keine Konkur­renz fĂŒr den wahren Qual­itĂ€t­sjour­nal­is­mus sein kön­nen, da nur der pro­fes­sionelle Jour­nal­ist eben richtig gute Qual­itĂ€t her­vor­bringt, brin­gen eben diese pro­fes­sionellen Medi­en neue For­men von Jour­nal­is­ten her­aus: Den Bratwurstjour­nal­is­ten und den Fast­food­jour­nal­is­ten.
FĂŒr den let­zteren Begriff muss ich gradeste­hen, da ich zu Bratwurstjour­nal­ist eine begrif­fliche Entsprechung gebraucht habe. Denn auf meinen Ein­trag So ist das mit dem Jour­nal­is­mus gab es die Erwiederung, der dort beschriebene Jour­nal­is­mus wĂŒrde seit neuestem Bratwurstjour­nal­is­mus genan­nt.
Was ich mit dem­jeni­gen Jour­nal­is­mus beschrieb, der offen­sichtlich vergeigten Aktio­nen im Lokalbere­ich mit Schön­fÀr­bung begeg­net, damit seine Leser sich nicht von ihm abwen­den, scheint mir doch noch etwas anderes zu sein als Bratwurstjour­nal­is­mus. Um mich mal selb­st zu zitieren:

Bratwurstjour­nal­is­mus beze­ich­net vielle­icht nur den alltĂ€glichen Lokaljour­nal­is­mus, der belan­glosen Aktio­nen ein­fach begrif­flich nichts mehr abgewin­nen kann: Dem Advents­basar der Frauenge­mein­schaft, den Ehrun­gen zur 25jĂ€hrigen Mit­glied­schaft des Kegel­clubs, das Ton­tauben­schießen des SchĂŒtzen­vere­ins und so.
Was ich meinte, war ja die gewollte Fast­foo­d­isierung des Lokaljour­nal­is­mus’. D.h. die Her­vor­bringung eines Pro­duk­ts, das ohne NĂ€hrstoffe ist, schnell verzehrbar, leicht ver­daulich und unter Ver­mei­dung jeglichen Anspruch­es.
Das scheint mir den herkömm­lichen Lokaljour­nal­is­mus noch zu top­pen. Der Bratwurstjour­nal­ist kann irgend­wie nicht anders, der Fast­food­jour­nal­ist soll und darf nicht anders. Und er merkt dem Pro­dukt seine Ver­fehlung irgend­wann nicht mehr an.

Frank Schirrma­ch­er hat vor 2 Jahren ein­mal den Qual­itĂ€t­sjour­nal­is­mus in Form der Tageszeitung her­aus­ge­hoben durch dessen mehrma­lige textliche Über­ar­beitung:

„Im Inter­net“, so erzĂ€hlte [ein dĂ€nis­ch­er Kol­lege], „hĂ€n­gen die Redak­teure weniger an ihrem Text. In der Zeitung muss ich um jedes Redi­gat stun­den­lange Diskus­sio­nen fĂŒhren.

Wenn die Her­aus­ge­ber der Zeitun­gen dem wirtschaftlichen Druck allerd­ings weit­er der­art durch Verzicht ein­er kri­tis­chen Hal­tung des berich­t­en­den Jour­nal­is­ten weit­er betreiben, dann wird uns eines Tages der Qual­itÀt­sjour­nal­is­mus so antiquiert vorkom­men, wie heutzu­tage das von Schirrma­ch­er beschriebene Warten vor Tele­fon­hÀuschen.

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