Am vergangenen Sonntag hat sich STERN-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges bei Alexander Kluge hingesetzt und gemeint, man hätte die Finanzkrise kommen sehen können. Er habe dies schon in einem kritischen Artikel im September 2007 getan. Angela Merkel sei seitens der Amerikaner in Kenntnis gesetzt worden, dass 3 Billionen Dollar auf der Kippe stehen, “vernichtet” zu werden. Merkel und Steinbrück, die seiner Ansicht nach alles alleine auskungeln, hätten einschreiten können. Hätten einschreiten müssen. Hätten das Finanzgebaren intensiver kontrolieren und regulieren müssen. Stattdessen habe man die Hände in den Schoß gelegt und nichts getan. Ein Jahr lang nichts.
Jetzt klingt das irgendwie so, als ob Merkel nur ihr Superman-Kostüm aus dem Schrank rausholen hätte müssen und schon wäre die Krise innerhalb eines Jahres für Deutschland wesentlich abgefederter angekommen. Dabei ist Jörges’ Kommentar bei weitem nicht so alarmierend, wie er ihn zu lesen scheint. Er klingt darin eher wie der Ausplauderer von Schlechtwetterhalbwahrheiten, die kein Leser genau einzuschätzen vermag. Ein Appell an die Regierung lese ich schon gar nicht daraus.
Aber okay, so gut kenne ich mich mit den politischen Chancen vergangener Tage nicht aus. Aber Jörges nahm, wie ansatzweise auch schon in seinem Artikel, noch die Gelegenheit wahr, das Finanzgebaren als Kulturzeitenwende zu deuten. Es werde entweder so sein, dass solche Bohlensendungen im Fernsehen noch schlimmer werden würden oder es gäbe eine vollkommene Abkehr von derartigen Sendungen. Die Überbewertung von Geld führt nach Jörges also zu einer Unterbewertung von Kultur. Das Übermaß des Einen erniedrigt das andere. Ying und Yang.
So sieht es der Chefredakteur des STERN, einem Lifestyle-Magazin, das sich nun wirklich wie kein anderes Blatt aktiv gegen die Bohlens dieser Welt engagiert.